Eine ursprünglich gewollte Einheit: bischöfliche Grabplatten im Dom zu Schwerin

Denkmal des Monats Juni 2008

Grabplatten der Bischöfe Rudolf I von Schwerin sowie Gottfried, Heinrich, Ludolf und Friedrich von BülowDetails anzeigen
Grabplatten der Bischöfe Rudolf I von Schwerin sowie Gottfried, Heinrich, Ludolf und Friedrich von Bülow

Abb. 1: Grabplatten der Bischöfe Rudolf I von Schwerin sowie Gottfried, Heinrich, Ludolf und Friedrich von Bülow

Abb. 1: Grabplatten der Bischöfe Rudolf I von Schwerin sowie Gottfried, Heinrich, Ludolf und Friedrich von Bülow

Im Dom zu Schwerin befinden sich seit 1585 zwei an der nördlichen Wand des Chorseitenschiffes eingelassene Grabplatten aus Messing sowie eine an der nördlichen Querhauswand aufgestellte Platte aus Stein. Alle drei sind sehr aufwendig und repräsentativ gestaltet. Die steinerne Platte gehört zu dem Grab von Bischof Rudolf I. (Regierungszeit 1249–1262). Die beiden aus Messing sind den Gräbern der aus der Familie v. Bülow stammenden Bischöfe zuzuweisen: Gottfried (Regierungszeit 1292–1314), Ludolf (Regierungszeit 1331–1339), Heinrich (Regierungszeit 1339–1347) und Friedrich (Regierungszeit 1366–1375). Die fünf Gräber mitsamt der Platten lagen ursprünglich im Hohen Chor des Domes vor dem damaligen Hauptaltar. Die Grabplatten wurden sämtlich von der in Mecklenburg seit dem 13. Jahrhundert nachweisbaren Familie Bülow in Auftrag gegeben und sind als ursprüngliche Einheit zu sehen. Rudolf I. ist der erste nachweislich in Schwerin verstorbene und im Dom beigesetzte Bischof gewesen. Seine Grabplatte stiftete Gottfried v. Bülow. Der seinerzeit gewollte Zusammenhang zwischen Grab, Grabplatte und Platzierung sowie die inhaltliche Verbindung der Grabplatten untereinander ist durch die viel später erfolgte getrennte Aufstellung und Präsentation nicht mehr nachvollziehbar.

Warum nun lagen die fünf Gräber zusammen so auffällig vor dem damaligen Hauptalter des Domes, also an prominentester Stelle? Und nicht nur das: Für Bischof Gottfried hatte man ursprünglich zwei Grabplatten geschaffen, nämlich außer der metallenen eine steinerne mit einer nicht überlieferten vollplastischen Figur aus Messing. Die Steinplatte ist im Dom an anderer Stelle heute noch zu sehen. Im Übrigen ergibt sich auch aus der Messung der sechs Grabmonumente für die fünf Bischöfe mit 7,30 m Breite eine äußerst repräsentative Anlage (Abb. 1).

Bischof Rudolf I. (Abb. 2) ist auf seiner für die damalige Zeit auffällig großen Grabplatte aus gotländischem Stein als stehende Figur mit geöffneten Augen dargestellt. Er trägt die mit aufwendigem Faltenwurf versehenen liturgischen Gewänder eines Bischofs mit Manipel, Mitra und Pontifikalhandschuhen. In seiner linken Hand hält er einen Bischofsstab mit nach innen gewandter Krümme. Damit soll nach traditioneller Lesart die eher geistlich ausgerichtete Regierung des Bischofs ausgedrückt werden. Die rechte Hand ist segnend erhoben. Seine Füße und die Mitra reichen an den Schmalseiten in das umlaufende Schriftband hinein. Die umlaufende lateinische Inschrift ist in einer vertieften gotischen Minuskel ausgeführt und beginnt rechts von der Mitte an der oberen Schmalseite. Sie lautet übersetzt: "Hier das Grab Rudolfs, der sechster Bischof dieser Stadt war. Unbill soll ihm nicht widerfahren. Auf Kosten Gottfrieds, des treu gesinnten achten Bischofs von Schwerin ist ihm das Grab bereitet. Rudolf starb den 18. November 1262." Inschrift und Grabplatte wurden bisher überwiegend als Erneuerung eines älteren, nicht erhaltenen historischen Zeugnisses betrachtet und in das späte 15. Jahrhundert datiert. Die Inschrift zeigt jedoch nicht die schlankere, eng spationierte und durchweg gebrochene Spätform der gotischen Minuskel, die etwa seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts üblich ist. Es handelt sich vielmehr um einfache Buchstabenformen, denen die für die gotische Minuskel charakteristischen Brechungen fehlen. Diese Schriftart war bis in das 14. Jahrhundert gebräuchlich. Da der in der Inschrift genannte Auftraggeber der Platte, Bischof Gottfried, 1314 starb, kann dieses Jahr als terminus ante quem angenommen werden (siehe auch: www.inschriften.uni-greifswald.de).

Die vier eng miteinander verwandten Bischöfe Gottfried, Ludolf, Heinrich und Friedrich sind ebenfalls mit Manipel, Mitra und Pontifikalhandschuhen in reiche liturgische Gewänder gekleidet (Abb. 3 und 4). In ihren jeweiligen Linken halten sie einen Bischofsstab mit, anders als bei Bischof Rudolf, nach außen gewandter Krümme. Dies ist als Hinweis auf Machtfülle bei der Ausübung des Bischofsamtes zu deuten. Die in der Physiognomie unterscheidbaren Figuren werden von einer aufwendigen, zum Teil dreidimensional dargestellten gotischen Rahmenarchitektur umgeben, in die zahlreiche figürliche Darstellungen der vier Evangelisten, acht Propheten, zwölf Apostel sowie auf Musikinstrumenten spielende Könige, Heilige, weltliche Personen und Engel integriert sind. Unterhalb der Bischöfe der jüngeren Platte befinden sich zwei weltliche Szenen eines Trinkgelages und Frauenraubes (Abb. 5). Die vier sitzenden männlichen Figuren oberhalb der Bischöfe auf beiden Platten mit je einem kleinen Kind auf ihrem Schoß sind als Gottvater zu deuten mit der Seele des Verstorbenen (Abb. 6). Es handelt sich hier von unten nach oben betrachtet um den Weg des weltlichen Lebens, welches durch die geistliche Funktion des Bischofs überwunden wird, und zum Jüngsten Gericht Gottes führt. Die Inschriften und Wappen beziehen sich exakt auf die einzelnen Bischöfe. Das Aussehen der ersten Grabplatte für Gottfried ist nicht überliefert.

Die Datierung der Platten ist wie folgt vorzunehmen: 1262 stirbt Rudolf I., sein Grab wird wahrscheinlich vor dem Hauptaltar errichtet. Gottfried stiftet eine Generation später während seiner Regierungszeit, spätestens aber in seinem Todesjahr 1314, die Grabplatte für Rudolf I. In diesem Jahr wird sein Grab mit einer steinernen Platte, die eine vollplastische Figur aus Messing trägt, bedeckt. 1339 und 1347 sterben Ludolf und Heinrich. Ihnen wird nach 1347 von der Familie eine Doppelgrabplatte gestiftet. Als ihr Vetter Friedrich 1375 stirbt, stiftet die Familie eine zweite Doppelgrabplatte, nämlich für ihn und seinen Großonkel Gottfried.

Über die Herkunft von Bischof Rudolf I. von Schwerin gibt es nur Vermutungen. Er soll ein Sohn des Fürsten Witzlav I. von Rügen gewesen sein. Um 1260 übergab ihm König Ludwig der Heilige in Paris "ein Dorn von des Herrn Christi Cron, zu einer sonderlichen Verehrung und Vermehrung ihres Heiligthumes." "A. 1260, vel circa illud tempus Ludovicus, rex Galliae, ecclesiae Sverinensi per Rudolphum, VI episcopum Sverinensem, sinam quadam coronae Christi antea innexam ad singularem cultum transmittit". Zusammen mit der Reliquie eines Tropfens aus dem Blut Christi, die Herrmann Graf von Schwerin 1222 anlässlich des damaligen Kreuzzugs gestiftet hatte, handelte es sich um das wertvollste Anbetungsstück des Domes. Beide Stücke wurden im Hauptaltar verehrt. In deren unmittelbarer Nähe bestimmte Bischof Rudolf I. ganz offensichtlich sein zukünftiges Grab. Dies hatte spirituelle Gründe. Mit der Nähe zu den mit Jesus in Verbindung zu bringenden Reliquien wollte sich der Verstorbene dessen direkter Fürsprache beim Jüngsten Gericht versichern.

Der um 1260 geborene Gottfried v. Bülow war der erste Bischof aus dem gleichnamigen Geschlecht in Mecklenburg. Als etwa 30-Jähriger nahm er sich der um zehn Jahre alten Söhne – und späteren Bischöfe – Ludolf und Heinrich seines um 1293 verstorbenen Bruders Heinrich an. Er zog sie an seinem Hof auf und belehnte sie (damit auch die Familie Bülow) großzügig mit Gütern aus den Dompfründen. Später brachte er sie als Domherren im Domkapitel unter. Die Funktion eines Domherrn war unter anderem die der Wahl des Bischofs. Die Familie Bülow konnte so doppelten Einfluss auf die ihnen so wichtige Wahl nehmen. Die finanziellen Entscheidungen zu Gunsten seiner Familie brachten Bischof Gottfried 1299 eine empfindliche und eingehende Überprüfung durch das Domkapitel ein. Indem er die Grabplatte für seinen Vorvorgänger Rudolf I. stiftete und sein Grab neben dessen Grab bestimmte, knüpfte er (damit auch seine Familie) machtpolitisch an dessen Tradition als Bischof an. Zugleich stellte auch er mit der Ortswahl die für den erhofften guten Ausgang des Jüngsten Gerichts so wichtige Nähe zu den oben genannten Reliquien her.

Nachfolger Bischof Gottfrieds wurde – nach einer Interimszeit – sein Neffe und Ziehkind Ludolf, dem dann 1340 dessen Bruder Heinrich folgte. Über die Ablösung der Bülow'schen Güter und damit die Auflösung der Schulden gab es in der Folgezeit zwischen dem Domkapitel und der Familie Bülow weiter erheblichen Streit. Die Angelegenheit wurde an die Päpste in Avignon heran getragen. Diese belegten einige Mitglieder der Familie Bülow – so auch den schon als Bischof vorgesehenen Großneffen von Gottfried, nämlich Friedrich –1357 mit dem Kirchenbann. Er wurde erst 1363 durch Papst Urban V. (Regierungszeit 1362–1370) aufgehoben. Die Bülows erhielten in der Folge ihre Funktion als Domherren zurück, was dazu führte, dass das Domkapitel 1366 den Papst bat, Friedrich als Bischof einzusetzen. Wenig später übergaben die Bülows ihrem Familienmitglied und Bischof, Friedrich, die bisher zurück gehaltenen Güter. Mit diesem Schachzug gewannen sie ihre zwischenzeitlich verlorene Machtposition wieder zurück und stiegen zu einer der mächtigsten Familien Mecklenburgs auf. Von dieser Macht zeugen die hier beschriebenen Grabplatten noch heute.

Dr. Dorotheus Graf Rothkirch

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