Die Dorfkirche von Cammin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte

Denkmal des Monats Februar 2014

Cammin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Dorfkirche von SüdostenDetails anzeigen
Cammin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Dorfkirche von Südosten

Abb. 1: Cammin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Dorfkirche von Südosten

Abb. 1: Cammin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Dorfkirche von Südosten

Bisher von der bauhistorischen Forschung eher unbeachtet, befindet sich im Stargarder Land ein überaus reicher Bestand an mittelalterlichen Dorfkirchen, die im Rahmen der deutschen Ostsiedlung im 13. Jahrhundert und am Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden. Die seit dem Jahre 2012 durch ein Dissertationsprojekt des Verfassers im Fokus stehenden Sakralbauten, die historisch dem ehemaligen Bistum Havelberg zuzuordnen sind, verraten dabei durch bauforscherische und gefügekundliche Untersuchungen oft nicht nur ihr Alter, sondern geben auch eine Fülle an Informationen, die von großem Wert für die mittelalterliche bau- und siedlungsgeschichtliche Forschung sind.

Im Juni 2012 fand durch den Verfasser eine bauhistorische Untersuchung der Dorfkirche Cammin bei Burg Stargard statt (Abb. 1). Diese umfasste eine fotografisch-/stratigrafische Bestandsdokumentation sowie die dendrochronologische Datierung, die im Rahmen der Bauphasenklärung und Baualtersbestimmung erfolgte. Für die Untersuchung wurden zur Verifizierung der Bauphasen insgesamt 14 Einzelproben aus dem Dachwerk des Saalbaus und dem Holzgefüge des Westturms entnommen. Die Auswertung erfolgte wie für alle Proben des Dissertationsprojektes im Deutschen Archäologischen Institut (DAI) Berlin durch Dr. Karl Uwe Heußner. Die Datierungsergebnisse der beprobten Bauhölzer bestätigten die bauhistorisch-/gefügekundlichen Einschätzungen, dass sich die baugebundenen bauzeitlichen Eichenholz-Konstruktionen fast vollständig erhalten haben.

Bauphase 1

Bei der Dorfkirche von Cammin handelt es sich um einen kleinen (Innenmaß: Breite 6,50 x Länge 13,60 x Höhe 4,50 m), flachgedeckten, anfänglich turmlosen Feldsteinquaderbau in Saalform (Abb. 2). Lediglich die zur Wandgestaltung ausgeführten südlichen Zwillingsblenden des Kirchenschiffs, die Blendnischen und das zentrale Fenster der Ostgiebelwand sind mit geformten Backsteineinfassungen gerahmt. Der nordöstliche Anbau war ursprünglich die alte Sakristei, die in der Barockzeit erneuert und überformt wurde. Der Kirchenbau besitzt ein südliches und westliches spitzbogiges Eingangsportal, wovon das letztere heute durch den Westturm verdeckt wird. Erhalten blieb erstaunlicherweise das fast vollständige originale Dachwerk. Die bauzeitliche Dachkonstruktion des Saalbaus datiert mit einer einheitlichen Schlagphase der saftfrisch zu Bauhölzern verarbeiteten Eichenstämme in die Winterhälfte des Jahres 1325 (d), wonach entsprechend der mittelalterlichen Bauweise von einem geschlossenen Abbund im Frühjahr/Sommer 1326 auszugehen ist. Übereinstimmende Trocknungsrisse, die die Abbundzeichen der Konstruktionshölzer durchziehen, bestätigen dies. Das aus acht Bindergespärren bestehende Dachwerk der Dorfkirche ist konstruktiv ein konventionelles hochgotisches Kreuzstrebendach, das heißt, ein doppeltes Kehlbalkendachwerk mit kurzen Sparrenknechten und sparrenparallelen Kreuzstreben, die im oberen Sparrendreieck über Schwalbenschwanzblattverbindungen ansetzen und im Abstand von etwa 1 m vor die Sparren auf den Binderbalken geführt werden (Abb. 3). Eine Längsaussteifung besteht wie bei allen Vertretern dieser Dachkonstruktion noch nicht und wird lediglich über die Dachlattung sowie in manchen Fällen über Windrispen gewährleistet. Der Abbund erfolgte mit der östlichen Bundseite von Westen nach Osten. Die ohne Seitenunterscheidung im reinen Querbindersystem von den mittelalterlichen Zimmerern zum Abbund verwendeten Abbundzeichen zeigen an den Knotenpunkten mit dem Reißhaken eingebrachte additiv zählende filigrane Ausstriche (Abb. 4).

Bauphase 2

Der geböschte hölzerne und zum Teil noch heute mit Eichholzschindeln eingedeckte Westturm wurde bisher, wie viele hölzerne Glockentürme im nord- und ostdeutschen Raum, in das 17. Jahrhundert datiert (Abb. 5). Georg Krüger schrieb dazu 1929 in den Kunst- und Geschichts-Denkmälern des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, dass dieser „… wohl noch vor dem Dreißigjährigen Krieg errichtet“ wurde und stützt dies auf eine Nachricht des Visitationsprotokolls des Jahres 1661, in dem es heißt: „Der Thurm ist in gutem Stande und neu repariertet.“ Die für den mehrfach verriegelten und durch angeblattete Kreuzverstrebungen ausgesteiften Ständerbau verwendeten Bauhölzer datieren dendrochronologisch in das Jahr 1479 (d), wurden also 1480 abgebunden und zum Westturm aufgerichtet (Abb. 6). Der Camminer Glockenturm ist damit einer von bisher 19 nachgewiesenen noch mittelalterlichen Holztürmen im ehemaligen Bistum Havelberg. Diese Zahl überrascht bei der bisher bestehenden Annahme, dass sich derartige Kirchtürme in reiner mittelalterlicher Holzkonstruktion nicht erhalten haben beziehungsweise bislang eher als Einzelbefunde auftraten. Hier kann demnach für den nordostdeutschen Raum eine ursprünglich wesentlich höhere Anzahl derartiger Turmbauten konstatiert werden. Dies belegen unter anderem die Kirchtürme von Cölpin, Schwanbeck und Zachow.

Weitere Bauphasen / Veränderungen

Eine mittelalterliche Kirchenausstattung ist im Camminer Sakralbau nicht mehr zu finden, jedoch haben hier die Renaissance- und Barockzeit ihre Spuren hinterlassen. Der Einbau einer renaissancezeitlichen Kanzel und eines Patronatsgestühls erfolgte sicher auf Veranlassung der adligen Familie von Jasmund, die 1581 mit Cammin belehnt wurde und die Patronatsherrschaft übernahm. Im 18. Jahrhundert ließ sie eine geringfügige Dachwerksreparatur und die Vergrößerung der auf den Längsseiten des Kirchenschiffs liegenden Fenster ausführen. Auch der Sakristeiumbau und die unter dem Camminer Kirchenbau angelegte Gruft sind auf die Familie von Jasmund zurückzuführen. Nachdem sie 1831 ihre Besitzrechte abgab, wurde im späten 19. Jahrhundert der Kircheninnenraum noch einmal neugotisch überformt (Abb. 7). Aus dieser Zeit stammt auch die Orgel von 1883.

Kunst- und bauhistorisch bewertend, ist die Dorfkirche von Cammin überaus reich an Baubefunden, dokumentiert sie doch in beschaulicher Weise fast 700 Jahre sakrale Bau- und Ausstattungsgeschichte. Mit wertvollen Informationen zum Stand der damaligen, vor allem aber der mittelalterlichen Handwerkstechnik können darüber hinaus auch wichtige Aussagen zur Besiedlungsgeschichte des Stargarder Landes gewonnen werden. Weitere Ergebnisse im Rahmen des bereits genannten Dissertationsprojektes bleiben abzuwarten.

Gordon Thalmann
Denkmalpfleger und Bauhistoriker
Groß Pankow

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