Ein Tempel für den Sport - Die Neptun-Schwimmhalle in Rostock

Denkmal des Monats April 2014

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Hansestadt Rostock, Neptun-Schwimmhalle, um 1957

Abb. 1: Hansestadt Rostock, Neptun-Schwimmhalle, um 1957

Abb. 1: Hansestadt Rostock, Neptun-Schwimmhalle, um 1957

Im Rostocker Hansaviertel, unweit des heute 'DKB-Arena' genannten Ostseestadions, einem Ort mäßiger Fußballkunst, erhebt sich ein monumentales Backsteingebäude – die Neptun-Schwimmhalle. Der großzügig angelegte Baukomplex, bestehend aus einem Eingangs- und Wirtschaftsbereich, der großen Schwimmhalle, der kleinen Schwimmhalle und der neuen Schwimmhalle, ist nicht nur eine bis heute gern besuchte Sportstätte, sondern macht in besonderem Maße geschichtliche Entwicklungen deutlich, nicht zuletzt auch die Entwicklung des Leistungssports als zentraler Bestandteil des gesellschaftlichen Selbstverständnisses in der DDR. Die überaus großzügige und künstlerisch qualitätvolle Anlage entstand in den 1950er Jahren nach Entwürfen der Architekten Max und Karl Krüger und wurde am 7. Oktober 1955 eröffnet (Abb. 1). In den 1960er Jahren erfolgte der Anbau der neuen Schwimmhalle mit einer 50-m-Bahn (Abb. 2).

Genutzt wurde der Bau sowohl für den Breiten- und Schulsport als auch für sportliche Großereignisse von internationalem Rang. Erstmals fand hier 1956 der Internationale Springertag, ein Wettkampf der Wasserspringer statt, der unlängst zum 59. Mal ausgerichtet wurde.

Mit dem Sport versuchte die DDR ihre Bedeutung und die Überlegenheit des sozialistischen Systems international darzustellen. Der Sport wurde so zu einem wichtigen Faktor im Kalten Krieg. Die überaus opulente Anlage ist Zeugnis dessen. So dokumentieren die äußerlich wie im Interieur ins denkmalhaft-monumentale gesteigerten Gebäudeteile und Raumdispositionen die überaus hohe Bedeutung des Massen- und Leistungssports in der DDR. Sie sind authentische Dokumente für ein Kapitel der Geschichte der Menschen und für die Geschichte der Stadt Rostock, die als Hafenstadt mit ihrem Überseehafen auch Außenwirkung hatte und folglich für das gesellschaftliche System werben musste.

In ihrer Komplexität ist die Neptun-Schwimmhalle auch ein gutes Beispiel für das Aufzeigen von Strömungen in der Architektur und damit wesentlicher Teile der Architekturgeschichte in der DDR. Während sich die in den 1950er Jahren entstandenen Gebäude der Anlage weitgehend einer Formensprache nationaler Traditionen, wie sie von der Bauakademie vorgegeben worden waren, bedienen, sprengt die neue Schwimmhalle aus den 1960er Jahren dieses Formenkorsett und orientiert sich an zeitgemäßen Formen. Dies konnte geschehen, weil in der DDR nach dem Tod Joseph Stalins eine im politischen und gesellschaftlichen Leben verankerte Entspannungsphase anbrach, von der auch die Architektur profitierte. Die im Stile nationaler Traditionen errichteten Bauten griffen den Klassizismus Karl Friedrich Schinkels auf. Dies wird zum Beispiel deutlich durch die Verwendung des unverputzten Backsteins und die Anwendung eines Rastersystems für den Bau der großen Schwimmhalle (Abb. 3), ähnlich wie es K. F. Schinkel auch für den Bau der Bauakademie in Berlin nutzte. Für den Haupteingang verwendeten die Architekten das Motiv einer Vorhalle, die sich mittels dreier Rundbögen nach außen öffnet (Abb. 4). Dieses Motiv dürfte seinen Ursprung in der von K. F. Schinkel in den Jahren 1832–1835 errichteten Nazarethkirche in Berlin haben und verdeutlicht damit gleichzeitig die sakrale Überhöhung des Sports in der Gesellschaft. Der Sport wurde zum neuen Glaubensbekenntnis.

Das Innere der Schwimmhalle überzeugt durch die qualitätvolle Ausformung der wesentlichen Räumlichkeiten und deren baulicher Details. Die Eingangshalle wurde als dreischiffige Halle mit Pfeilern, die das Gebälk tragen, errichtet. Durch die Unterzüge wirkt die zusätzlich mit einfachen Stuckreliefs versehene Decke kassettiert (Abb. 5). Dieser Gestaltungsmodus findet sich in der großen Schwimmhalle wieder. Seitlich des Beckens steigen die Zuschauerränge auf, die jeweils von einer Pfeilerreihe abgeschlossen werden. Damit ist auch die Schwimmhalle ein dreischiffiger Raum, wobei das Bodenniveau der Seitenschiffe auf der oberen Rangebene liegt (Abb. 6).

Säulenstellungen weist ebenso das über der Eingangshalle gelegene sogenannte Foyer, der frühere Marmorsaal auf. Hier tragen kannelierte Säulen das stuckierte Deckengebälk (Abb. 7). Die Decken des Mittelschiffs und der Seitenschiffe sind leicht gewölbt, im Mittelschiff befindet sich ein Oberlicht. Besonderes Augenmerk verdienen die Kapitelle. Es sind gestalterische Neuschöpfungen, Blattkapitelle, die sich nicht vordergründig an die klassischen Ordini anlehnen.

In die Reihe aufwendig gestalteter Raumschöpfungen gehört letztlich der Gymnastikraum mit seinen kannelierten Pilastern (Abb. 8) und dem Parkettboden. Künstlerisch beachtlich ist ferner das Haupttreppenhaus mit ausschwingender Treppe (Abb. 9), anspruchsvollen Wandleuchten und stuckierter Decke.

Die künstlerische Gestaltung der Innenräume greift Modi herrschaftlicher Architektur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf und setzt sie in einen neuen Kontext. Dies ist typisch für die Entwicklung des Interieurs in öffentlichen Gebäuden der jungen DDR und brachte eine Fortentwicklung historistischer Architekturformen mit sich, die es so beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland zu dieser Zeit nicht mehr gab.

Die Schwimmhalle bildet städtebaulich den Auftakt zu einem Sportforum. Ihre städtebauliche Wirkung entsteht nicht zuletzt durch den zwischen Straße und Baukörper liegenden Freiraum mit Freitreppe, Bäumen und Grünfläche. Damit reagiert sie überdies auch auf die zur Kopernikusstraße gewandte Seite der gegenüberliegenden Hansekaserne, die gleichsam auf einen Freiraum zwischen Straße und Gebäuden zurückgreifen kann.

Auch heute noch wird die Neptun-Schwimmhalle in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt. Man trifft die "normalen" Schwimmerinnen und Schwimmer ebenso wie die Weltklassesportler, die hier ihre Wettkämpfe austragen, nunmehr ohne ideologische Vorzeichen. Für ein Denkmal ist das die beste Form seiner Existenz.

Dirk Handorf

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