Das kulturhistorische Zentrum Mecklenburg-Strelitz

Denkmal des Monats Juni 2015

Neustrelitz, Schloßstraße 12/13, Fassade von Nordosten, 2015Details anzeigen
Neustrelitz, Schloßstraße 12/13, Fassade von Nordosten, 2015

Abb. 1: Neustrelitz, Schloßstraße 12/13, Fassade von Nordosten, 2015

Abb. 1: Neustrelitz, Schloßstraße 12/13, Fassade von Nordosten, 2015

Mit dem Einzug des Wagner-Karbe-Archivs, der Stadtbibliothek und des Stadtmuseums wird das sanierte Postgebäude von Neustrelitz als kulturhistorisches Zentrum eine neue, dem repräsentativen Anspruch seiner Architektur angemessene Nutzung erhalten (Abb. 1).

Das zwischen Schloss und Markt gelegene Postgebäude von Neustrelitz wurde 1899-1902 im Renaissance-Stil errichtet. Der zwei Grundstücke einnehmende Putzbau wird durch zwei Risalite mit steilen Giebeln und ein kleineres Zwerchhaus in der Mittelachse gegliedert. Die Verwendung von Sandstein für die Fenstergewände, Gesimse und Risalitkanten sowie die Form rundbogiger und segmentbogiger Fenster mit tiefer liegendem massivem Kämpfer und der Dekor der Giebelspitzen in Form der einem Dreieck einbeschriebenen Rosette (Abb. 2) verweisen in Verbindung mit der Putzfassade anstelle materialsichtigen Backsteinmauerwerks auf Architekturvorbilder der deutschen Renaissance. Damit unterscheidet sich das Postgebäude von Neustrelitz - wie diejenigen von Güstrow und Schwerin - von den übrigen Postgebäuden in Mecklenburg und Vorpommern. Deren rote Backsteinarchitektur knüpft vor allem an die mittelalterliche Backsteinarchitektur Norddeutschlands an und entspricht damit den Vorgaben des Reichspostamtes, die Postgebäude in Anlehnung an lokale Bautraditionen zu gestalten. Da die Anwendung des Renaissancestils Ende des 19. Jahrhunderts die enge programmatische Verknüpfung mit bürgerlichen Traditionen und Idealen verloren hatte und auch für Staatsbauten übernommen wurde, kann in der Wahl dieses Stiles für die Fassadengestaltung der Postgebäude von Neustrelitz, Güstrow und Schwerin einzig ein bewusster Hinweis auf den Rang der Residenzstadt erkannt werden. Wenngleich die Neustrelitzer Residenz – anders als bei den alten Herrschaftssitzen von Güstrow und Schwerin – in baulicher Hinsicht keine Verbindung in das 16. Jahrhundert aufwies, ist die Architektur des Postgebäudes wohl dennoch als Spiegel des herrschaftlichen Anspruchs von Neustrelitz anzusehen.

Mit seiner repräsentativen Fassade ist das Postgebäude von Neustrelitz hervorragend geeignet, den Anspruch der Postgebäude widerzugeben, der darin lag, Macht und Größe des neu gegründeten deutschen Reiches zu demonstrieren. In gleicher Weise wurden auch die Innenräume ausgestattet, die dem allgemeinen Publikumsverkehr zugänglich waren, insbesondere Eingang und Schalterhalle. Deutlich wird dies anhand der weiten Korbbögen in der Schalterhalle (Abb. 3) und vor allem des Dekors der Türen im Eingangsbereich und zum Treppenhaus in Form von profilierten Bekleidungsbrettern, Diamantschnittmotiven, faltwerkartigen Ornamenten der Türfüllungen und Akroterien-Aufsätzen der Türsturze (Abb. 4) – alles Elemente der Renaissance-Baukunst. Die Verkleidung der unteren Wandpartien mit den materialsichtigen Backsteinen allerdings unterlag weniger einem architekturhistorisch begründeten Anspruch, als vielmehr funktionalen Zwecken, nämlich die beanspruchten Wände der Schalterhalle vor Beschädigungen zu schützen.

Der Eingang in die Schalterhalle sollte von der Straße aus leicht zu finden sein und deshalb zum stärksten Verkehr hin orientiert und mit einem entsprechenden Portal ausgezeichnet sein. Wohl deshalb wurden die erhaltenen Grundrisspläne für das Neustrelitzer Postgebäude von 1899 spiegelverkehrt ausgeführt. Die beiden Korbbögen der Schalterhalle, in denen sich die noch heute die Oberlichter der bauzeitlichen Schalterwand erhalten haben, verweisen auf die Differenzierung in einen Schalter für die Annahme und Ausgabe der Briefe, Wertsachen und Depeschen und einen anderen für die Pakete. Dabei war der Schalter für die Briefe etc. der straßenseitig gelegenen Halle für die Abfertigung und sogenannte Entkartung der Briefsendungen zugeordnet, während der rückwärtige der Packkammer zunächst gelegene Schalter der Annahme und Ausgabe der Pakete gedient hat. An die ausgedehnte Packkammer, in der die Pakete auch zwischengelagert werden mussten und die hofseitig mit einer Ladebühne verbunden war, schloss sich der Raum für die Briefträger an. Dieser besaß zugleich eine große Nähe zu dem mittleren straßenseitigen Raum, in dem die ankommende Post zur Ausgabe vorbereitet wurde. In den kleineren Erdgeschossräume neben dem westlichen Eingang und Treppenhaus waren die Büros des Kassierers und des Vorstehers sowie die zugleich auch als Vorzimmer zum Vorsteher dienende Kanzlei untergebracht und entsprechen damit der allgemeinen Forderung, nicht von der Schalterhalle, sondern von einem besonderen Hauseingang aus erreichbar zu sein. Dieser separate Zugang diente auch der Erschließung der Dienstwohnung im Obergeschoß, welche in der Regel dem Postdirektor zustand. Die im Plan von 1899 abzulesende Beschränkung auf drei beheizbare Zimmer sprechen allerdings gegen eine Nutzung der Neustrelitzer Dienstwohnung durch den Postdirektor, standen ihm in größeren Postämtern wie dem Neustrelitzer doch sieben beheizbare Räume zur Verfügung. Inwieweit die Räume im mittleren Abschnitt des Obergeschosses eventuell in der Bauausführung ebenfalls Wohnräume des Postdirektors waren oder sämtlich von dem Telegraphiebetrieb in Anspruch genommen wurden, ließ sich auch während der Sanierung nicht mehr klären. Die Unterbringung des Telegraphenamtes, das 1857 ein Haus am Neuen Markt bezogen hatte und 1876 mit der Post vereinigt wurde, machte den Einbau des Apparatesaals und Batterieraumes im Obergeschoß an der Haupttreppe des Postamtes erforderlich. Als Arbeitsräume des Telegraphenamtes sind auf jeden Fall die hofseitigen Räume im mittleren Abschnitt des Obergeschosses zu deuten, sollten sie doch regelmäßig vom Straßenverkehr abgelegen angeordnet werden. Mit dem Ausbau der Telegraphie in den 1920er Jahren wurden in zahlreichen Postämtern die im Obergeschoß gelegenen Dienstwohnungen aufgegeben und die entsprechenden Räume für die Telefonanlagen genutzt, wie dies auch in Neustrelitz der Fall war.

Als gebautes Geschichtszeugnis mit großzügigen Raumgruppen ist das Postgebäude hervorragend geeignet, die neue Funktion einer Dauerausstellung zur Geschichte des ehemaligen Herzogtums Mecklenburg-Strelitz sowie Archiv und Bibliothek aufzunehmen. Folglich galt es vor allem, das historische Gebäude substanzschonend zu sanieren und mit einem Mehrzwecksaal zu ergänzen.

Da das Dachgeschoß nicht in die Nutzung einbezogen werden sollte, war zunächst geplant, das Dach, insbesondere die bauzeitlichen glasierten Muldenfalzpfannen auf der straßenseitigen Dachfläche lediglich zu reparieren (Abb. 5). Die Schäden am Dachtragwerk aber erforderten schließlich eine umfassende Instandsetzung, die die Abnahme der Dachdeckung voraussetzte. Von den bereits früher umgedeckten und mit Mörtel verstrichenen Ziegeln waren maximal 50 Prozent wiederverwendbar, von den First- und Gratsteinen mit Krabbenbesatz nur 30 Prozent. In Verbindung mit den variierenden Ziegelformaten führte dies endlich zu der Entscheidung für eine Neueindeckung des Daches, wobei sich die neuen Ziegel weitestgehend an dem historischen Vorbild orientieren (Abb. 6).

Die genaue Schadenskartierung der Straßenfassade hatte zum Ergebnis, dass 40 Prozent der Putzfläche hohl lag; in Verbindung mit der erheblichen Anzahl von Rissen hatte dies entgegen der ersten Einschätzung den vollständigen Austausch des Fassadenputzes zur Folge. Bei der Wiederherstellung des Putzes stellte sich der Anschluss an die Sandsteinelemente eine Herausforderung dar, denn diese treten teilweise nur wenige Millimeter über das Backsteinmauerwerk vor, so dass die Herstellung eines zweilagigen Putzes nicht möglich war. Der neue Fassadenputz wurde abweichend vom restauratorisch nachgewiesen bauzeitlichen Vorbild nicht materialsichtig belassen, sondern mit einem Anstrich versehen, der die farbige Erscheinung der Bauzeit wiederholt. Neben den Fenstern, die in der Mehrzahl als historische Kastenfenster konstruiert waren (Abb. 7) und ebenso wie die Hauseingangstüren nach einer tischlermäßigen Aufarbeitung erhalten werden konnten, prägen nach wie vor die originalen Fenstergitter der Schalterhalle und des früheren Vorsteherzimmers (Abb. 8), die farbigen Mosaikflächen in den Fensterbögen (Abb. 9) sowie die zentrale Briefkastenanlage (Abb. 10) die Fassade.

Um die ursprüngliche Differenzierung des Postgebäudes einerseits in die Bereiche, die dem Publikum zugänglich und deshalb repräsentativ ausgestattet waren, und andererseits die Räume, die rein funktionalen Abläufen dienten, augenscheinlich zu machen, wurde die Raumausstattung in ihrem überlieferten Umfang weitestgehend bewahrt. Dies bedeutet, die aufwendig gestalteten Türen des westlichen Windfangs, zum östlichen Treppenhaus und zur Schalterhalle blieben ebenso wie die Türanlagen im ehemaligen Bürotrakt des Erdgeschosses und der einstigen Direktorenwohnung in der östlichen Hälfte des Obergeschosses an Ort und Stelle erhalten. Auch die Ausstattung der Schalterhalle mit den verbliebenen Oberlichtern der Schalterwände, der Distanzstufe zum tieferliegenden Fußboden in der Schalterhalle sowie dem hier dekorativ gestalteten Terrazzoboden wurde lediglich aufgearbeitet. Die etwas jüngeren Telefonzellen und die historischen Postfächer (Abb. 11) konnten trotz der brandschutztechnischen Maßnahmen an der Treppenhauswand weitestgehend unverändert bewahrt werden. In dem mittleren straßenseitigen Raum, der ursprünglich für die Abfertigung und sogenannte Entkartung der Briefsendungen genutzt worden war, blieben der Auffangkasten unter dem Briefkasten und zwei Rohrleitungen vor der Westwand bestehen, die sehr wahrscheinlich die letzten Zeugen der im Zusammenhang mit der Telegrafie stehenden Rohrpost sind. Die restauratorisch nachgewiesene Wand- und Deckengestaltung in den Eingangsbereichen und Treppenhäusern sowie in der Schalterhalle wurde wiederhergestellt. Lediglich bei den beiden Treppen mussten Veränderungen hingenommen werden, da ihre originalen Geländer nur eine Höhe von 80 cm erreichten und damit den heutigen Anforderungen nicht genügten. Wegen der schlechten Betonqualität der Stahlbetonblockstufen konnte kein zusätzliches Geländer ohne Zerstörung montiert werden. Deshalb fiel nach Prüfung verschiedener Variante schließlich die Entscheidung, die Erhöhung am vorhandenen Geländer vorzunehmen. Hierfür wurden knapp 20 Zentimeter hohe Vierkantrohre und ein abschließender Flachstahl montiert, auf den der Bestandshandlauf aufgeschraubt wurde (Abb. 12).

Der Raumbedarf der drei Kultureinrichtungen und die Notwendigkeit, innerhalb des kulturhistorischen Zentrums einen angemessenen Veranstaltungssaal anzubieten, machten den Anbau eines Mehrzwecksaales im Winkel von Hauptgebäude und Seitenflügel erforderlich (Abb. 13). Dank einer lichtdurchfluteten Fuge zwischen Bestandsgebäude und Erweiterungsbau und der Treppenführung blieb die historische Hoffassade des Postgebäudes nicht nur erlebbar (Abb. 14), sondern erfuhr sogar eine Aufwertung (Abb. 15). Den Abschluss des Gebäudekomplexes bildet das als Münze bezeichnete Hofgebäude (Abb. 16). Sein aus dem 18. Jahrhundert stammendes, mit Hängewerkkonstruktionen ausgestattetes Dachtragwerk blieb zwar erhalten (Abb. 17), konnte aber leider nicht sichtbar in die Ausstellungsräume einbezogen werden.

Nach Abschluss der Gebäudesanierung und Herstellung der Freiflächen auf dem ehemaligen Posthof erfolgt nun der Einzug der drei Kultureinrichtungen, so dass die ehemalige Post im Herbst 2015 endlich wieder der Öffentlichkeit zugänglich sein wird.

Bettina Gnekow

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