Fund des Monats November 2024

Ferien mit Findlingen – Zwei neue Schälchensteine im Landkreis Rostock

Abbildung 1: Viezen, Lkr. Rostock. Emil hinter dem gerade aus dem Lesesteinhaufen zum Vorschein gekommenen Schälchenstein.Details anzeigen
Abbildung 1: Viezen, Lkr. Rostock. Emil hinter dem gerade aus dem Lesesteinhaufen zum Vorschein gekommenen Schälchenstein.

Abbildung 1: Viezen, Lkr. Rostock. Emil hinter dem gerade aus dem Lesesteinhaufen zum Vorschein gekommenen Schälchenstein. 

Abbildung 1: Viezen, Lkr. Rostock. Emil hinter dem gerade aus dem Lesesteinhaufen zum Vorschein gekommenen Schälchenstein. 

Als Dr. Steffen Daebeler aus Neu Bernitt am 2. Juli 2024 eine Mail an die Landesarchäologie schickte, ließen die mitgelieferten Bilder keinen Zweifel daran, dass er und sein 9-jähriger Enkel Emil, der bei ihm einige Ferienwochen verbringen durfte, auf etwas wahrhaft „Großes“ gestoßen waren (Abb. 1). In der Gemarkung Viezen, Lkr. Rostock, hatten sie am Rand eines Lesesteinhaufens einen Schälchenstein entdeckt, der in seinen Abmessungen durchaus an den Deckstein eines Megalithgrabes erinnerte. Da der Lesesteinhaufen gerade abgetragen wurde, war Eile geboten, um die Erhaltung des Fundstückes sicherzustellen. Deshalb wurde zeitnah ein Ortstermin vereinbart, an dem sowohl die Finder als auch die Ortsbürgermeisterin, der Leiter der Agrargenossenschaft, Vertreter der Unteren Denkmalschutzbehörde und der Landesarchäologie teilnahmen.

Schnell war man sich einig, dass der eindrucksvolle, kulturgeschichtlich wertvolle Findling einen neuen Platz im Bereich eines Fahrradfahrer-Rastplatzes am südlichen Ortsrand von Viezen erhalten und dort mit einem Hinweisschild versehen werden soll. Der künftige Aufstellplatz war sehr gut gewählt, denn er liegt in Sichtweite, gerade einmal 300 m vom tatsächlichen Fundort entfernt. Gefunden wurde der Schälchenstein nämlich „vor fünf bis zehn Jahren“ von Mitarbeitern der Agrargenossenschaft beim Steinesammeln an der Südseite des Tannenberges.

Bei dem Fundstück handelt es sich um einen aus granitartigem Gestein bestehenden Findling. Dieser hat eine viereckige Form mit zwei rechtwinkligen Ecken und einer schräg verlaufenden Langseite, sodass seine Breite zwischen 1,0 m und 1,6 m variiert, während die Länge mit 1,5 m bestimmt wurde. Ober- und Unterseite sind abgeflacht, die Stärke beträgt rund 70 cm. Die Oberseite ist annähernd flächig mit mindestens 100 unterschiedlich großen Schälchen bedeckt. Es gibt einzelne überdurchschnittlich große, besonders tief eingearbeitete Schälchen, doch sind die meisten relativ flach. Ihr Durchmesser variiert zwischen 3 und 6 cm, ihre Verteilung ist unregelmäßig und lässt kein eindeutiges System erkennen (Abb. 2 und 3).

Der zweite Streich

Durch die Ereignisse in Viezen war die Aufmerksamkeit von Emil und seinem Großvater offensichtlich auf Schälchensteine geeicht worden, denn nur zwei Tage nach dem Ortstermin entdeckten sie am 12. Juli 2024 auf dem Weg zum Badesee ein weiteres Exemplar. Dieser Stein war bei Feldarbeiten in der Umgebung von Moltenow geborgen und nach Klein Sien gebracht worden, wo er nun als Abschluss einer in Aufbau befindlichen Feldsteinmauer diente (Abb. 4).

Es handelt sich um einen unregelmäßig geformten Findling von 1,2 x 1,2 m Größe und einer Stärke zwischen 0,57 m (unten) und 1,01 m (oben). Der Stein ist stark brüchig, mehrere Risse lassen vermuten, dass er ursprünglich deutlich größer gewesen ist. Immerhin 20 Schälchen sind noch gut zu erkennen. Sie befinden sich am oberen Rand der Schauseite, wo sie teilweise regellos, teilweise aber auch in Reihe angeordnet sind. Ihr Durchmesser reicht von 4 bis 9 cm, wobei die Tiefe zwischen 1,1 cm und 2,1 cm variiert (Abb. 5).

Bedeutung nicht abschließend geklärt

In der Forschung wird den Schälchensteinen eine kultisch-religiöse Bedeutung zugeschrieben, wenngleich der genaue Sinngehalt noch immer unbekannt ist. Dies ist sicherlich auch dadurch bedingt, dass nur wenige Fundplätze wissenschaftlich untersucht wurden. Als sicher gilt jedoch, dass die Schälchen überwiegend während der Bronzezeit (2000-550 v. Chr.) eingearbeitet wurden (Schacht 1995). Das legen auch Bronzefunde nahe, die bei der Freilegung eines Schälchensteines in Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald, geborgen wurden (Schmidt/Weiß 2018). Die Ergebnisse schwedischer Forscher lassen sogar vermuten, dass regional noch bis in die frühe Neuzeit Münzen und ähnliche „Opfergaben“ auf Schälchensteinen abgelegt wurden (Goldhahn 2018). Die Schälchen finden sich auf Decksteinen von Megalithgräbern (Schuldt 1972, 89 ff.), aber auch auf einzeln stehenden Findlingen (Dittmann 1939). Bei der Untersuchung des Hügelgräberfeldes in der „Ramm“ bei Marnitz, Lkr. Ludwigslust-Parchim, fanden sich beispielsweise zwischen den Steinhügeln nicht weniger als acht einzeln stehende Schälchensteine (Schuldt 1954). Ob der Viezener Findling als einzelner Findling einen Kultplatz markierte oder ehemals als Deckstein eines Megalithgrabes diente, ist derzeit nicht sicher zu sagen, denn beide Verwendungen scheinen möglich. Für das Fundstück aus Klein Sien ist hingegen eine Einzelaufstellung wahrscheinlicher.

Sicher ist auf jeden Fall, dass Emil seine Ferien in Mecklenburg so schnell nicht vergessen wird. Die beiden von ihm entdeckten Schälchensteine haben große Bedeutung, da im gesamten Landkreis Rostock derzeit nur etwa 40 Exemplare bekannt sind. Und auch wenn es ihm und seinem Großvater viel Spaß gemacht hat, die beiden Steine sorgfältig zu vermessen und zu beschreiben (Abb. 6), sei beiden an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt!

Dr. Jens-Peter Schmidt

Literatur:

K. H. Dittmann, Untersuchung eines Schalensteines im Sachsenwald. – Offa 4, 1939, 169–177.

J. Goldhahn, Älvornas arkeologi. – Fornvännen 113, 2018, 210–232.

S. Schacht, Radkreuze und Schälchen an drei Megalithgräbern im Raum Rerik, Kr. Bad Doberan. – Ausgrabungen und Funde 40, 1995, 140–144.

J.-P. Schmidt/U. Weiß, Stört einmal der Schalenstein, so graben wir ihn einfach ein! – Fund des Monats Januar 2018.

E. Schuldt, Die Steinhügel in der „Ramm“ bei Marnitz, Kr. Parchim. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jahrbuch 1954, 84–97.

E. Schuldt, Die mecklenburgischen Megalithgräber. Untersuchungen zu ihrer Architektur und Funktion. – Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg 6. Berlin 1972.

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