Fund des Monats Mai 2024

Hinter dem Horizont geht’s weiter! Neues vom Feuerstellenplatz Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald

Abb. 1: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Geomagnetische Messungen im schneereichen November/Dezember 2023.Details anzeigen
Abb. 1: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Geomagnetische Messungen im schneereichen November/Dezember 2023.

Abb. 1: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Geomagnetische Messungen im schneereichen November/Dezember 2023.

Abb. 1: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Geomagnetische Messungen im schneereichen November/Dezember 2023.

Bereits im Mai 2011 wurde bei der archäologischen Begleitung des Oberbodenabtrags für die Norddeutsche Erdgasleitung (NEL) nordwestlich des Ortes Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald, der Feuerstellenplatz Diedrichshagen 22 entdeckt. Insgesamt kamen seinerzeit 92 Befunde zutage, die sich im Trassenverlauf über eine Strecke von nur 45 m verteilten (Schmidt 2014, 150 ff. Abb. 11). Das Gros der erfassten Feuerstellen gehörte zu einer rundlichen Konzentration von etwa 35 m Durchmesser, doch deuteten sich auch Segmente von Feuerstellenreihen an, die den Trassenbereich von Ostsüdosten nach Westnordwesten querten. Demnach gehörte dieser Fundplatz zu den seltenen Anlagen, auf denen sowohl ungeregelte Ansammlungen von Feuerstellen auch Reihen nachweisbar sind. Anhand von Holzkohleresten konnten einige der regellos angeordneten Feuerstellen mittels Radiokarbondaten in die Zeit um 550 v. Chr., also in den Übergang von der jüngeren Bronze- zur vorrömischen Eisenzeit datiert werden (zu den genauen Ergebnissen siehe Schmidt 2014, 154 Anm. 9).

Die Befundverteilung ließ vermuten, dass sich der Fundplatz beiderseits des Trassenverlaufes fortsetzt. Dies wurde im Herbst 2021 eindrucksvoll bestätigt, als ein Team der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel durch geomagnetische Messungen beidseitig der bekannten Feuerstellenansammlung weitere Befunde nachweisen konnte (KFB 2021 [im Druck]). Gut 280 weitere Feuerstellen (oder genauer Kochsteingruben), die sich in sechs, teilweise sieben bis zu 130 m langen Reihen erstreckten, waren im Messbild erkennbar, wobei aber weder im Osten noch im Westen ein Ende des Befundaufkommens festgestellt werden konnte.

Dieser Aufgabe sollte sich nun eine zweite Messkampagne widmen, die zwischen dem 27.11. und dem 01.12.2023 von Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Teilprojekt im Rahmen des Exzellenzclusters „Roots“ im Subcluster „ROOTS of Conflict: Competition and Conciliation“ unter der Leitung von Dorothea Küster durchgeführt wurde (Abb. 1). Der Untersuchungsbereich, der westlich an die 2021 gemessene Fläche anschloss, hatte eine Größe von 5,3 ha, wobei die geophysikalischen Messungen im östlichen Teil flächig, im westlichen Teil aus Zeitgründen hingegen nur ausschnitthaft durchgeführt werden konnten.

Abb. 2: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Ergebnis der 2023 durchgeführten Messungen: Die Feuerstellenreihen erstrecken sich über eine Strecke von mindestens 955 m!Details anzeigen
Abb. 2: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Ergebnis der 2023 durchgeführten Messungen: Die Feuerstellenreihen erstrecken sich über eine Strecke von mindestens 955 m!

Abb. 2: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Ergebnis der 2023 durchgeführten Messungen: Die Feuerstellenreihen erstrecken sich über eine Strecke von mindestens 955 m!

Abb. 2: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Ergebnis der 2023 durchgeführten Messungen: Die Feuerstellenreihen erstrecken sich über eine Strecke von mindestens 955 m!

Das überraschende Ergebnis war, dass sich der Kochsteingrubengürtel durch die neuen Messergebnisse nun über eine Strecke von 955 m nachweisen lässt (Abb. 2) – ohne dass auf einer der beiden Seiten ein Ende fassbar wird. Während der östliche Abschluss überbaut scheint, setzen sich die Befunde offenbar jenseits der nördlichsten Messbahn in nordwestlicher Richtung auf den angrenzenden Ackerflächen weiter fort.

Der Feuerstellenplatz erstreckt sich als dichtes Band von Befunden in westnordwest-ostsüdöstlicher Richtung über die Sanderfläche, wobei seine Ausrichtung keineswegs schnurgerade ist, sondern eher als kurvolinear zu bezeichnen ist. Die Befundansammlung ist bis zu 57 m breit und besteht aus einer variierenden Anzahl unterschiedlich langer Feuerstellenreihen. Bisweilen sind aber auch einzelne Feuerstellen oder kleine ungeregelte Gruppen zu erkennen.

Abb. 3: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Rot markiert: Einige der durch automatisierte Analyse des Messbildes erkannten 2272 Feuerstellen. Der Ausschnitt liegt etwa mittig in Abb. 2.Details anzeigen
Abb. 3: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Rot markiert: Einige der durch automatisierte Analyse des Messbildes erkannten 2272 Feuerstellen. Der Ausschnitt liegt etwa mittig in Abb. 2.

Abb. 3: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Rot markiert: Einige der durch automatisierte Analyse des Messbildes erkannten 2272 Feuerstellen. Der Ausschnitt liegt etwa mittig in Abb. 2.

Abb. 3: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Rot markiert: Einige der durch automatisierte Analyse des Messbildes erkannten 2272 Feuerstellen. Der Ausschnitt liegt etwa mittig in Abb. 2.

Die automatisierte Analyse des Messbildes ergab eine Anzahl von 2272 Anomalien, die als Kochsteingruben in Betracht gezogen werden können (Abb. 3). Angesichts der Tatsache, dass im westnordwestlichen Teil nicht flächig gemessen wurde, darf man im Untersuchungsbereich sicherlich mit 3000 oder mehr Befunden rechnen. Zwar ist die Auswertung der Ergebnisse noch nicht abgeschlossen, doch steht außer Frage, dass es sich bei dem Fundplatz zumindest längenmäßig um die bislang größte Anlage dieses Typs im nördlichen Mittel- und südlichen Nordeuropa handelt. Anders als in Naschendorf, Lkr. Nordwestmecklenburg, wo die mehr als 2000 Feuerstellen als kompakte Befundansammlung dicht beieinanderlagen (Schmidt 2022), handelt es sich beim Feuerstellenplatz von Diedrichshagen 22 um einen langgestreckten, linearen Kochsteingrubengürtel.

Abb. 4: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Möglicher weiterer Verlauf der Feuerstellenreihen.Details anzeigen
Abb. 4: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Möglicher weiterer Verlauf der Feuerstellenreihen.

Abb. 4: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Möglicher weiterer Verlauf der Feuerstellenreihen.

Abb. 4: Diedrichshagen, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Möglicher weiterer Verlauf der Feuerstellenreihen.

Es ist geplant, die geophysikalischen Untersuchungen zeitnah fortzusetzen, um den westlichen Abschluss zu ermitteln. Sollte sich die Annahme bestätigen, dass sich die Befundverteilung an den Söllen orientiert, die das jungpleistozäne Bild der Landschaft prägen, so erscheint eine Gesamtlänge der Anlage von 1600 m durchaus möglich (Abb. 4).

Dorothea Küster M. A. / Dr. Jens-Peter Schmidt

Literatur

  • KFB 2021
    Kurze Fundberichte 2021. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 69, 2021 [im Druck].
  • Schmidt 2014
    J.-P. Schmidt, Garküchen auf freiem Feld? – Feuerstellenplätze im Trassenverlauf von OPAL und NEL. In: D. Jantzen/L. Saalow/J.-P. Schmidt (Hrsg.), Pipeline:Archäologie. Ausgrabungen auf den großen Ferngastrassen in Mecklenburg-Vorpommern, 145–154. Schwerin 2014.
  • Schmidt 2022
    J.-P. Schmidt, Voller Rätsel: Naschendorf. – Archäologie in Deutschland 4/2022, 34–35.

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