Mecklenburg im 16. Jahrhundert, Tilemann Stellas Zeichnungen von den Schleusen an der Elde bei Plau, Lübz und Parchim

Archivalie des Monats Mai 2008

Mecklenburg, politische Verhältnisse

Zeichnung der Schleusenanlage der Stadt PlauDetails anzeigen
Zeichnung der Schleusenanlage der Stadt Plau

Zeichnung der Schleusenanlage der Stadt Plau

Zeichnung der Schleusenanlage der Stadt Plau

Die Auseinandersetzungen innerhalb der fürstlichen Familie sowie die Verhandlungen mit den Landständen für und wider die Teilung des Landes bildeten eines der Hauptthemen der mecklenburgischen Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts.

Wenige Jahre nach dem Tod von Herzog Magnus II. (1477-1503) kam es zu lähmenden Auseinandersetzungen zwischen seinen Söhnen Heinrich V., genannt der Friedfertige (1503-1552), und Albrecht VII., genannt der Schöne (1503-1547), die eine konsequente Vollendung der Reformen ihres Vaters verhinderten.

Der Neubrandenburger Hausvertrag aus dem Jahre 1520 war ein Kompromiss, ein Mittelding zwischen Teilung und Gemeinschaft. Es wurde festgelegt, dass alle Schlösser und Dörfer, alle Ablager, Gefälle und Zölle gleichmäßig geteilt und gesondert verwaltet wurden ohne deren Zusammenhang zu zerreißen. Jeder der Brüder hatte das Recht, im Landesteil des anderen die Regierungsrechte auszuüben. Gemeinschaftlich blieben die Prälaten, Vasallen und die zwölf wichtigsten Städte (Rostock, Wismar, Parchim, Neubrandenburg, Friedland, Schwerin, Güstrow, Waren, Röbel, Malchin, Sternberg und Teterow) sowie die Land- und Rechtstage, das Besteuerungsrecht und der Kanzler mit der Kanzlei, d.h. die eigentliche Regierung.

Da kurz nach Abschluss des Vertrages Albrecht erneut heftig dagegen protestierte und zu prozessieren begann, wandte sich Heinrich zur Rettung der Einheit des Landes an die Stände.

In den Verhandlungen mit den Ständen, deren Meinung bei den Aktivitäten im öffentlichen Leben und bei Gesetzen eingeholt wurden, lag die Initiative beim Landesherrn. Auf die auswärtige Politik und das Kriegswesen, also die teuersten Unternehmungen der Herzöge übten die Stände im 16. Jahrhundert keinen Einfluss aus. Sie hatten wiederholt die Schulden der Fürsten zu übernehmen. Ritterschaft und Seestädte wehrten sich hartnäckig dagegen.

Die Erbstreitigkeiten und das Streben der Stände nach politischer Einflussnahme auf die Entscheidungen des Landesherrn und das Landesregiment sind der Hintergrund für die Landständische Union.

Am 1. August 1523 vereinigten sich in Rostock die Prälaten, Mannen und Städte der Fürstentümer und Lande Mecklenburg, Wenden, Rostock und Stargard zum Schutze ihrer Privilegien und unter Zusicherung gegenseitigen Beistandes im Falle einer Verletzung derselben, mit dem Ziel, die Einheit der Stände und damit des Landes zu verteidigen. Sie konnten nicht verhindern, dass sich seit dem Jahre 1534 Schwerin und Güstrow als Residenzen mit eigenen Kanzleien herausbildeten. Heinrich verwaltete von Schwerin aus vorwiegend den westlichen, Albrecht von Güstrow aus den östlichen Landesteil.

Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wanderten die Fürsten, auch wenn sie sich für längere Zeit in den Schlössern aufhielten, im Lande herum. Schloss Stargard, einst als dritte Residenz vorgesehen, wurde bald vernachlässigt.

Der Stand der Prälaten erschien 1549 letztmalig auf dem Landtag. Die geistlichen Güter wurden im Ruppiner Machtspruch von 1556 zum größten Teil unter den beiden regierenden Herzögen geteilt und später dem Domanium zugeschlagen. Einen kleinen Teil stellte man den verbliebenen Ständen zur Verfügung. Seit 1572 waren die Landesklöster Malchow, Dobbertin und Ribnitz als Versorgungsinstitute für ihre Töchter organisiert.

Fast ein Jahrhundert konnten die mecklenburgischen Landstände eine vollständige Landesteilung hinausschieben, da nur einer der regierenden Herzöge erbfähige Söhne hinterließ.

Unter den Söhnen Albrechts VII. wiederholten sich die Streitigkeiten der Vorfahren. Der älteste, Johann Albrecht I. (1547-1576) erstrebte eine Gesamtherrschaft, der jüngere Bruder Ulrich (1555-1603) bestand auf Teilung. In einem neuen Gemeinschaftsvertrag einigten sich die Brüder im Jahre 1555 in Wismar.

Dieser Vertrag enthielt die Nutzungsteilung von 1520 bei halbgemeinschaftlicher Regierung. Die Stände konnten nichts bewirken. Erst der Ruppiner Machtspruch des Kurfürsten Joachim II: von Brandenburg setzte den Vertrag in Kraft. Johann Albrecht übernahm den Schweriner, Ulrich den Güstrower Landesteil. Beide Städte entwickelten sich nun immer stärker zu festen Residenzen.

Die Herzöge Albrecht VII: und Johann Albrecht I: stürzten sich im 16. Jahrhundert ehrgeizig in kriegerische Unternehmungen und damit in neue Schulden. In den nächsten Jahren folgten Schuldenübernahmen und landesfürstliche Reverse am laufenden Band. Die Herzöge forderten von den Ständen die Übernahme und Deckung der Schulden, die Stände übergaben eine Liste von Beschwerden und Forderungen. Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich die Partner. Die wichtigsten Urkunden sind der Assekurationsrevers von 1555 (hier erwirkten die Stände das Recht der freien Steuerbewilligung sowie die Anfänge einer ständischen Steuerverwaltung) und die Sternberger Reversalen von 1572 (Bestätigung aller früher erteilten Privilegien und ihr Anrecht auf die Landesklöster).

Tilemann Stella

Der sich dem Humanismus verpflichtete, hochbegabte Herzog Johann Albrecht I. interessierte sich besonders für die Kunst und die Wissenschaft, er betrieb z.B. astronomische Studien. Auf Empfehlung von Philipp Melanchthon und David Chytraeus schloss der Herzog im Jahre 1552 die Bekanntschaft Tilemann Stellas aus Siegen (1525- 1589), dieser lebte zu der Zeit in Rostock. Chytraeus schlug Stella für die Ausführung einer Übersichtskarte von Mecklenburg und einen Himmelsglobus vor. Stella erhielt den Auftrag und fertigte noch im selben Jahr die Karte von Mecklenburg. Im Jahr 1553 entstand sein Himmelsglobus. Er arbeitete aber weiter an kartografischen Aufträgen in Wittenberg.

1560 trat Stella als "Mathematicus" in die Dienste des Herzogs von Mecklenburg. Seine Deutschlandkarte widmete er dem Herzog als Dank für dessen Gunst und Förderung. Er begleitete den Herzog auf seiner Reise nach Wien und an die türkische Grenze, um hier die Festungsanlagen zu besichtigen. Stella führte darüber Tagebuch und ein mathematisches Reisejournal.

In der Folge wurde er vielseitig eingesetzt; so erfolgte 1561 die Verpflichtung als Bibliothekar der herzoglichen Bibliothek, die Beschäftigung als Vermesser und Kartograph zur Festschreibung der Landesgrenzen und Beilegung von Grenzstreitereien sowie die Planung eines Elbe-Ostsee-Kanals. Zu diesem Zweck schickte ihn der Herzog nach Norddeutschland und in die Niederlande. Hier sollte er die modernen Techniken des Kanalbaus studieren. Danach hielt sich Stella im Mansfelder Land auf.

1564 kehrte Stella nach Schwerin zurück. Er hatte große Teile Deutschlands kennen gelernt. Die folgenden 18 Jahre seines Lebens arbeitete er als Projektant, Vermesser und Leiter der Wasserbauarbeiten an dem Bau des Elbe-Ostsee-Kanals von der Elbe bei Dömitz über die Elde, Stör und den Schweriner See nach Wismar.

1576 starb Herzog Johann Albrecht I., der Förderer des Kanalbaus. Seine Nachfolger hatten nicht das gleiche große Interesse. Das Land Mecklenburg und die am Bau interessierte Stadt Wismar waren außerdem tief verschuldet und so wurde der fast vollendete Kanalbau eingestellt. Tilemann Stella verließ daraufhin 1582 das Land. Er folgte einer Einladung nach Pfalz-Zweibrücken.

Auch in der Pfalz wurde er zu wasserbautechnischen Aufgaben, den Bau einer Kanalverbindung von der Saar zum Rhein, herangezogen. Am 15. Februar 1589 verstarb Tilemann Stella während einer Reise nach Mecklenburg. Der Grund dafür und der Ort sind nicht bekannt.

Die Tätigkeit Tilemann Stellas in Mecklenburg lässt sich anhand zahlreicher Schriftstücke und Akten in mehreren Beständen des Landeshauptarchivs in Schwerin nachweisen, vgl. Christa Cordshagen: Neue Erkenntnisse zum Wirken Tilemann Stellas als Kartograph in Mecklenburg. Archivmitteilungen, 36, Berlin 1986, S. 158-161.

Wiederholt wurde zur Problematik Bau eines durchgängigen Wasserweges von der Elbe zur Ostsee seit dem 16. Jahrhunderts geforscht und die Idee zum Bau dieses Wasserweges in Pläne umgesetzt nach denen diese Verbindung entstehen sollte.

Das Landeshauptarchiv in Schwerin verwahrt die Akten des Pertinenzbestandes Handel und Schifffahrt zur See und auf mecklenburgischen Wasserstrassen (acta commerciorum tam maritimorum quam in fluminibus) 2.12-2/10.

Unter dem Gliederungspunkt 10. Flussbau, 10.1 Elbe, Elbe-Ostseekanal findet sich die Signatur 135 mit dem Titel "Verhandlungen mit der Stadt Hamburg und der Mark Brandenburg wegen des geplanten Wasserweges Elbe–Ostsee", Laufzeit 1512-1513.

Es folgen weitere Akten zum Thema Bau des Kanals zwischen Wismar und der Elbe darunter vier Bände Manualakten des Tilemann Stella aus den Jahren 1567-1582 (Signaturen 145-148) mit dem Inhalt "Schifffahrt zwischen Eldena bis Wismar". Die Akten enthalten u. a. einen Vertrag vom 28. März 1567 zwischen den Herzögen Johann Albrecht I. und Ulrich über die Aufnahme der Arbeiten und Beteiligung der Ämter beider Herzöge an der Durchführung, Berichte über Besichtigungen der Flüsse und des Fahrwassers, Kostenaufstellungen, Gewinnung von Arbeitskräften und deren Instruktionen, Berechnungen des Projektes, Abmessungen von Fahrwasser und Schleusen, Zeichnungen T. Stellas.

Besonders interessant ist an diesen Akten der Tatbestand, dass die Besichtigung der Elde nicht nur in Richtung Norden; als Weg von der Elbe nach Wismar zur Ostsee sondern auch in östlicher Richtung zur Müritz untersucht und beschrieben wurde.

Ein Zeugnis dafür findet sich in der Akte Signatur 145 des o.g. Bestandes. Sie enthält zwischen umfangreichen Abhandlungen über den Bau von Kanälen drei Zeichnungen Tilemann Stellas von den Schleusen an der Elde bei den Städten Plau, Lübz und Parchim aus dem Jahre 1573.

Diese Städte sind von der Elbe weg nach Osten in Richtung Müritz gelegen, tangieren nicht direkt die Verbindung Elbe-Wismar-Ostsee in Richtung Norden.

Warum also arbeitete Tilemann Stella hier und beschrieb äußerst exakt die Umgebung und die Verhältnisse?

Es ist davon auszugehen, dass eine weitere Wasserstrasse in Richtung mecklenburgisches Binnenland vorgesehen war. Der Blick auf die Karte zeigt die Möglichkeit einer Anbindung des Elbe–Ostsee-Kanals an die Warnow oder die Peene in einem zukünftigen Wasserstraßennetz des Landes.

Besonders bemerkenswert sind die Zeichnungen in der Akte. Frühe Darstellungen von Orten auf mecklenburgischem Gebiet kommen selten vor. Tilemann Stella dokumentierte für die Nachwelt zumindest ein Stückchen Realität.

So enthält die Zeichnung der Schleusenanlage der Stadt Plau (Abb. 1) den öffentlichen Weg (via publica), die Stadtmauer und den anschließenden Plauer See, der bereits verlandet, wie es die Einzeichnungen der Gräser beweisen. Auf dem Stadtgebiet ist nur die Kirche eingezeichnet. Im Text der Akte werden hauptsächlich die Wasserverhältnisse und die Schleuse behandelt.

Neben der Schleusenanlage samt Brücken von Lübz (Abb. 2) sind auf der zweiten Zeichnung die Stadt (oppidum), der Bauhof und die Festung (Arx) eingetragen. Außerhalb gelegen ist eine Ziegelscheune. Der dazugehörige Text widmet sich der Erkundigung der Tiefe in der "unterschiedlichen Elde".

Die Zeichnung der vom Wasser umschlossenen Stadt Parchim (Abb. 3) ist die interessanteste Darstellung. Als Einzeichnungen auf dem Grundriss fallen sofort die Tore, das Neue, das Kreuz, das Wuken mit Brücken über das Wasser der Elde und die Wasserpforte auf.

Weitere Einzeichnungen lauten: Aufm Walle, Klosterhoff, Papenhus, Sant Gertrud, Sant Nikolaus und als Wasserflächen der Wukensee sowie das Kolck (mit Schleuse). Außerhalb liegt die Ziegelscheun. Zwei weitere Schöpfräder sind an Wasserläufen im Stadtgebiet dargestellt.

Der Tod Johann Albrechts und auch fehlende finanzielle Mittel des Landes sind vermutlich der Grund dafür, dass im 16. Jahrhundert neben anderen Vorhaben die nach der Planung vorgesehene Realisierung von Wasserbaumaßnahmen in Richtung Osten ausblieb.

Etwa 200 Jahre später, im Juli des Jahres 1794 erschien ein Druck der Herzoglichen Hofdruckerei W. Bärensprung mit dem

Ausführlicher Aktien- Plan nach welchem Sr. Herzogl. Durchl.der regierende Herzog zu Mecklenburg- Schwerin Sich verbindlich macht, die Elde, von Wahren bis in die Elbe bei Dömitz schiffbar zu machen, und die Einrichtungen zu treffen, welche die zugleich intendirte Senkung der Müritz erfordert. Für diejenigen, welche der, in Gemäßheit desselben zu errichtender Actien-Compagnie beizutreten gewilligt sind, auf ausdrücklichen höchsten Befehl bekannt gemacht von den zur Schiffbarmachung der Elde gnädigst verordneten Herzoglichen Commissarien, dem Geheimen- Rathe (Otto) von Dewitz auf Milzow, und dem Regierungs- Rathe, Kammerherren (August Georg) von Brandenstein zu Schwerin. (Bibliothek LHA 9414).

Weitere Bestände wie 2.22-10/12 Domanialamt Grabow-Eldena, 3.2-3/2 Landeskloster/ Klosteramt Malchow und 12.15-3 Gewässerkarten des Landeshauptarchivs enthalten speziell für das Ende des 18. Jahrhunderts Akten und Karten zur Korrektur und Schiffbarmachung sowie der Wasserstauung der Elde vom Plauer See, Kölpinsee und der Müritz.

Elke Krügener


Literatur

Hamann, Manfred "Das staatliche Werden Mecklenburgs", Köln/Graz, 1962, S. 28-42.
Oehme, Ruthardt und Zögner, Lothar, "Tilemann Stella der Kartograph der Ämter Zweibrücken und Kirkel des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken", LVA Rheinland-Pfalz , Koblenz 1989.
Gramms Karl Heinz, "Karriere im Herzogtum Mecklenburg" und Michael Eckard "Kartograph, Wasserbauingenieur, Landmesser und Hofbibliothekar" in. Siegerland, Band 66, Heft 1-2, Seiten 9-13 und 14- 23. 1989.

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