"Kriminaluntersuchung und -prozess gegen den Zuchthausinsassen zu Dömitz, den Jäger Hermann Arnold wegen Mordversuchs"

Archivalie des Monats August 2008

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Im Zuge der Bearbeitung von Anfragen stieß ich bei einer meiner Nachforschungen am Bestand 2.23-4 Kriminalkollegium Bützow (1812-1879) auf die vorgenannte Akte. Der Zusatz im Aktentitel: "Darin: Mordwaffe (stumpfes Messer)" weckte meine Aufmerksamkeit und veranlasste mich, diese Akte näher in Augenschein zu nehmen.

Am Donnerstag, den 12. März 1840 ereignete sich im Zuchthaus Dömitz Folgendes: Als die Mittagskost sich bereits im Gefangenenzimmer des Züchtlings Arnold befand, äußerte der Züchtling Köpcke seine Unzufriedenheit über die Kost. Der Leutnant Held bemerkte daraufhin, dass das Essen ja noch unangerührt sei und aus den anderen Gefängnisstuben habe sich noch niemand darüber beklagt. Arnold aber behauptete, das Essen sei schlecht und dass der Gerichtsrat (Blankenberg) sogleich gerufen werden soll, denn "es sei dessen Schuldigkeit zu kommen, wenn er (Arnold) es befähle". In der Absicht, die Ruhe wieder herzustellen, beauftragte Held den Zuchtmeister Rath, von dem Verlangen des Arnold dem Gerichtsrat Meldung zu machen. Als der Zuchtmeister mit der Meldung zurückkam, der Gerichtsrat sei nicht zu Hause, tobte Arnold fort, war nicht zu beruhigen und "schlug mit der Kelle in die Eßbütte, daß die Erbsen umherflogen". Held versuchte, ihn durch Zureden zur Ruhe zu bringen, was ihm aber nicht gelang. Daraufhin beauftragte er den Zuchtmeister, die Wache zu holen. Da der Zuchtmeister aber nicht sogleich zurückkam, wollte Held das Gefängnis verlassen; war aber kaum über die Türschwelle getreten, als Arnold ihn unbemerkt hinterrücks überfiel und ihm mit den Worten "Du Verfluchter" mit einem scharfen Instrument (ein von Arnold präparierter Sturmhaken) mehrere Wunden am Kopf und Nacken zufügte. Glücklicherweise konnte der Leutnant noch die Haustür (Gefängnistür?) erreichen und mit dem Schlüssel öffnen, als auch der Zuchtmeister Rath mit der Wache eintraf und Arnold in seine Gefängnisstube flüchtete. Dort wurde er von der Wache mit Gewalt aus der Stube nach der Diele gebracht, visitiert, ihm ein Handbolzen angelegt und darauf in das Cachot (düsteres Gefängniszimmer) gebracht und dort mit einer Fußkette angeschlossen.

Held wurde in ein anderes Zimmer geführt und dort wurden seine Wunden versorgt und verbunden und er in seine Wohnung gebracht. Nach Ansicht des Leutnants Held und des Zuchtmeisters Rath bestand für den erregten Lärm überhaupt kein Anlass und man glaubte, Arnold habe von vornherein die Absicht gehabt, bei Gelegenheit eine "recht blutige Tat" auszuführen, die sich hauptsächlich gegen den Gerichtsrat Blankenberg und den Aktuar-Leutnant Held richtete.

Als Grund für seine Erbitterung gab Arnold an, dass es ihm verweigert wurde bzw. der Gerichtsrat Blankenberg es ablehnte, seine Begehren persönlich vorzutragen; er kaum Gelegenheit zur Arbeit bekam und dass er durch den Aktuar-Leutnant Held während seines Aufenthaltes dort eine schikanöse Behandlung erfuhr.

Arnold hatte zu dieser Zeit bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Er wurde 1806 in Hallbau in der Niederlausitz geboren. Sein Vater war Steuereinnehmer, später Aktuar beim Landgericht zu Görlitz. Arnold absolvierte eine normale Schulbildung und ist bei Jägern in die Lehre gewesen und hat auch als Jäger gedient. In der Folgezeit trieb er sich in mehreren Ländern herum, machte sich der Desertion als preußischer Soldat, mehrerer Diebstähle, der Fälschung, des gewaltsamen Ausbruchs aus Gefängnissen und der Wilddieberei im Österreichischen schuldig. 1833 wurde Arnold wegen Desertion, Ausbruch aus dem Gefängnis und Diebstahls durch das Kriegsgericht Posen auf sechsjährige Strafe, 60 Stockschläge und Verlust des Militärabzeichens verurteilt. Im Juni 1833 konnte er aus der Hauptwache in Posen entweichen. Durch Erkenntnis vom 1. April 1834 wurde er wegen Diebstählen und versuchten Raubes zu Toitendorff zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt. Im August desselben Jahres konnte er aus dem Zuchthaus Dömitz entfliehen und begab sich dann ins Holsteinische. Dort verübte er zwei Diebstähle durch Einsteigen und Einbruch, wurde durch Urteil des Amtsgericht Gottorff am 21. März 1835 zu einer vierjährigen Zuchthausstrafe verurteilt und nach deren Verbüßung im März 1839 an das Kriminalkollegium Bützow abgeliefert. Unter Berücksichtigung seines bisherigen Lebenswandels und seiner Vorstrafen wurde Arnold insgesamt zu einer elfjährigen Zuchthausstrafe verurteilt und zur Verbüßung seiner Strafe am 4. Dezember 1839 in das Zuchthaus Dömitz abgeliefert.

Nachdem es am 12. März 1840 zu den oben beschriebenen Ereignissen kam, wurden von der Zuchthausinspektion umgehend Untersuchungen durch den Gerichtsrat Blankenburg eingeleitet. Als Erstes wurden der Zuchtmeister Rath, der Aktuar-Lieutenant Held und der Häftling Hermann Arnold zu den Ereignissen vernommen. Noch im März wird dem Kriminalkollegium in Bützow aufgegeben, weitere nötige Untersuchungen einzuleiten. Im April 1841 wird Arnold auf eingeholten Urteilsspruch der Justizkanzlei Rostock wegen versuchter Tötung des Aktuars des Zuchthauses Dömitz, Lieutenant Held, zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe und der Übernahme der Untersuchungskosten verurteilt. Gegen dieses Urteil legt Arnold Berufung ein, dem Revisionsantrag wird stattgegeben und nach eingeholtem Urteilsspruch wird das obige Urteil im Januar 1843 in eine sechsjährige Zuchthausstrafe abgeändert, die er in der Strafanstalt Dreibergen abbüßte. Nach Ablauf der Strafe sollte Arnold an das Kriegsgericht in Posen ausgeliefert werden. Das Vorstehende ist nur eine knappe Darstellung des Inhalts der etwa 6 cm dicken Akte. Für den historisch interessierten Leser dürften v.a. die in der Akte befindlichen Vernehmungsprotokolle, Urteile mit der Angabe der Entscheidungsgründe, die Verteidigungsschrift vom Juli 1841 und der Nachtrag zur Verteidigungsschrift vom Mai 1842 sowie zwei Briefe des Arnold an seine Mutter von Bedeutung sein.

Reiner Borchmann †, Landeshauptarchiv Schwerin


Quelle

2.23-4 Kriminalkollegium Bützow (1812-1879) Nr.647

Archivalie des Monats August 2008

"Kriminaluntersuchung und -prozess gegen den Zuchthausinsassen zu Dömitz, den Jäger Hermann Arnold wegen Mordversuchs"