Maßnahmen zur Abwehr der Cholera

Archivalie des Monats November 2012

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Zeichnung zu einem Apparate im Krankenzimmer

"Zeichnung zu einem Apparate im Krankenzimmer"

"Zeichnung zu einem Apparate im Krankenzimmer"

Im Jahr 1830 kam die Cholera nach Europa. Die Krankheit hatte in Indien vermutlich seit Jahrhunderten existiert und breitete sich Anfang des 19. Jahrhunderts mit wachsender Geschwindigkeit über den indischen Subkontinent aus. Schließlich erreichte sie das südöstliche Europa. Aufgrund ihrer Herkunft häufig als "asiatische Cholera" bezeichnet, breitete sie sich jetzt auch über Russland und Polen aus und befiel im Mai 1831 Preußen. Tausende starben. Auch Mecklenburg bereitete sich auf einen Ausbruch vor, als Infektionen aus Stettin, Berlin, Magdeburg, Hamburg und Lüneburg gemeldet wurden. Eine der ersten Maßnahmen war, die Landesgrenzen und die Küste durch Soldaten abzuriegeln. Besonders Schiffe aus Russland durften nur in Wismar anlegen und wurden erst einmal unter Quarantäne gestellt. Zur Behandlung der akut Erkrankten wurde die Errichtung eines Quarantänekrankenhaus auf der Insel Walfisch angeordnet. Die Quarantäne, auch als "Contumaz" bezeichnet, galt für jeden, der womöglich die Krankheit einschleppen könnte, sei es zu Wasser oder zu Lande, und der kein Gesundheitszeugnis vorweisen konnte. Handelswaren oder auch Post, die als potentielle Krankheitsüberträger galten, wurden sicherheitshalber ausgeräuchert. Es wurden Listen der infizierten Städte und Gegenden erstellt, aus denen Reisende oder Waren als besonders verdächtig zu gelten hatten. Die Städte verschärften ihre Wachen an den Toren. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren nicht nur sehr aufwendig zu organisieren, sondern auch ausgesprochen teuer und letztendlich nicht unbedingt wirkungsvoll, denn trotz allem brach im Juli 1832 die Cholera in Mecklenburg aus, wenn auch nicht so heftig wie in anderen Ländern. Am Schlimmsten traf es Rostock mit über 300 Toten innerhalb von zweieinhalb Monaten. Betroffen waren auch Boizenburg, Bützow, Doberan, Güstrow, Hagenow, Kröpelin, Ribnitz, Sülze und Warin, während Schwerin verschont blieb.

Behörden und Ärzte standen der Epidemie recht hilflos gegenüber, nachdem sie ausgebrochen war. Durch Sperrung der betroffenen Häuser und Viertel wurde versucht, einer weiteren Ausbreitung Einhalt zu gebieten. Solange die Ursache der Krankheit nicht bekannt war und kein wirksames Gegenmittel entwickelt werden konnte, wurden an den Kranken alle möglichen Kuren ausprobiert und die Symptome versucht zu behandeln. Aderlass, Wechselbäder, Brechmittel oder Schwitzkuren verbesserten dabei selten die Heilungschancen. Sehr kontrovers wurde unter den mecklenburgischen Ärzten die Behandlung mit Opium diskutiert.

Im Juli 1831 wandte sich der Dresdener Leutnant und Mathematiklehrer an der Kreuzschule Friedrich Löhmann an den mecklenburg-schwerinschen Kabinettssekretär Hoese mit einem Vorschlag, wie der Krankheit Einhalt zu gebieten sei. Er bat darum, Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg seine Abhandlung zu dem Thema zu überreichen, die sich heute in den Akten des großherzoglichen Kabinetts im Landeshauptarchiv Schwerin befindet (2.26-1 Großherzogliches Kabinett I, Nr. 10455a/11). Sie trägt den Titel "Ansichten eines Laien über die Befreiung der Krankenzimmer von bösartigen Dünsten und weitere unmaßgebliche Vorschläge zur Auffindung des die asiatische Cholera insbesondere so wie pestartige Krankheiten überhaupt erzeugenden Urstoffes; nebst einer Zeichnung den hierbei anzubringenden Apparat darstellend".

Löhmann ging noch von der allgemein verbreiteten Vorstellung aus, dass die Cholera durch die Luft, durch das Einatmen von Keimen oder sog. "Miasmen", verbreitet würde. Dass die damalige Wissenschaft hier irrte und dass die Krankheit durch das im Wasser lebende Cholerabakterium übertragen wird, sollte erst Robert Koch gut 50 Jahre später 1883/1884 nachweisen. Zwar war bereits verschiedentlich beobachtet worden, dass die Krankheitsherde vorzugsweise in Wassernähe lagen, doch gelang es noch nicht, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Löhmann wollte mit der von ihm konzipierten Apparatur nicht nur die Kranken heilen und die Ärzte und Pfleger vor Ansteckung schützen, sondern auch zum Fortschritt der Wissenschaft und der weiteren Erforschung der Krankheit beitragen. Er stellte sich vor, über den Betten der Kranken einen großen Trichter aufzuhängen, in den die Atemluft und Ausdünstungen der Kranken aufsteigen sollten. Von dort sollten sie in eine Retorte oder Kugel geleitet werden, die sich in einem durch eine Zwischendecke abgetrennten Stockwerk befinden sollte. Die Zwischendecke sollte dem Schutz der Patienten vor Erkältung dienen, da die Retorte mit Eis stark gekühlt werden sollte. Dadurch, so dachte Löhmann, würde sich der Krankheitserreger verflüssigen oder kristallisieren und auf dem Retortenglas niederschlagen, sodass er isoliert und anschließend durch Chemiker untersucht werden könnte, um schließlich ein Heilmittel gegen ihn entwickeln zu können. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, sollte das Experiment möglichst an mehreren Orten gleichzeitig durchgeführt werden.

Vermutlich glaubte die mecklenburgische Regierung nicht an ein Gelingen des Versuchs, denn eine Reaktion auf den Vorschlag Friedrich Löhmanns ist in der Akte nicht überliefert.

Dr. Antje Koolman

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