800 Jahre Kloster Dobbertin. Die erste evangelische Klosterordnung stammt von 1572

Archivalie des Monats September 2020

Abb. 1: Konzept der Klosterordnung (LHAS, 2.12-3/2-2, Nr. 49, fol. 94-104)Details anzeigen
Abb. 1: Konzept der Klosterordnung (LHAS, 2.12-3/2-2, Nr. 49, fol. 94-104)

Abb. 1: Konzept der Klosterordnung (LHAS, 2.12-3/2-2, Nr. 49, fol. 94-104)

Abb. 1: Konzept der Klosterordnung (LHAS, 2.12-3/2-2, Nr. 49, fol. 94-104)

Evangelische Klöster sind eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Und doch hat es sie gegeben. Das 800jährige Jubiläum von Kloster Dobbertin gibt Gelegenheit, einmal darüber nachzudenken, dass die mecklenburgischen Mönchsklöster allesamt in der Reformation untergegangen sind, die Frauenklöster jedoch nicht. Denn Dobbertin gehörte mit den beiden anderen mecklenburgischen Frauenklöstern Malchow und Ribnitz seit 1572, dem Jahr, in dem sie auch eine neue Ordnung bekamen, zu den sogenannten Landesklöstern. Sie gehörten nicht den Herzögen, sondern nach damaligen Verständnis dem "Land", der mecklenburgischen Ritter- und Landschaft also und wurden von ihr bis 1918 in Eigenregie verwaltet. So ist es in Schleswig-Holstein übrigens bis heute. In Mecklenburg gab es sogar noch zwei weitere Frauenklöster, die die Reformation überlebten: Heilig Kreuz in Rostock und Rühn, dieses allerdings nur bis 1756.

Die sozialhistorisch ausgerichtete Geschichtsforschung gibt für dieses Phänomen eine einfache Erklärung. Die Klöster dienten der Versorgung unverheirateter Töchter, deren standesgemäßes Leben evangelischen Adelsfamilien nicht weniger Probleme bereitete als katholischen. Dieses Argument hat einiges für sich, es erklärt aber nicht, warum für die Versorgung auch nach der Reformation voll ausgebildete Klostergemeinschaften gewählt wurden. Man hätte die Einkünfte, die aus den Dörfern und Gütern der Klosterämter flossen, auch gleich in Geld- und Naturalleistungen ausgeben können, ohne den Jungfrauen ein Leben hinter Klostermauern abzuverlangen und sich mit der Aufrechterhaltung einer Klosterordnung abmühen zu müssen. Denn eigentlich hatte ja die lutherische Lehre vollständig mit dem alten Klosterleben gebrochen und darauf verwiesen, dass eine Frau in Ehe und Mutterschaft ebenso, wenn nicht nach der Schöpfungsordnung noch gottgefälliger leben könne als eine Nonne. Allerdings: ohne die Eitelkeiten gerechter Werke und den Zwang von Gelübden sei das Klosterleben durchaus zulässig für diejenigen, die "freiwillig" ins Kloster gingen und das Leben dort aushalten könnten. Denn die Reformatoren kannten natürlich auch die Stellen im Neuen Testament z. B. im 1. Korintherbrief, wo Paulus davon spricht, dass Unverheiratete besser beten und predigen könnten als durch Ehe und Familie "abgelenkte" Personen.

Abb. 2: Panoramablick auf das Kloster, 1906 (LHAS, 13.2-1/1, Kloster Dobbertin Nr. 11)Details anzeigen
Abb. 2: Panoramablick auf das Kloster, 1906 (LHAS, 13.2-1/1, Kloster Dobbertin Nr. 11)

Abb. 2: Panoramablick auf das Kloster, 1906 (LHAS, 13.2-1/1, Kloster Dobbertin Nr. 11)

Abb. 2: Panoramablick auf das Kloster, 1906 (LHAS, 13.2-1/1, Kloster Dobbertin Nr. 11)

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Reformation den Menschen zunächst keine verweltlichende Abschwächung, sondern eine Verschärfung des christlichen Lebensvollzugs brachte. Gebetsgemeinschaften kam dabei weiterhin eine überragende Bedeutung zu. Während in den "normalen" weltlichen Gemeinden immerhin in der Regel viermal in der Woche Gottesdienste, Andachten, Beichten und Katechismusbelehrungen stattfanden, konnten Klosterkonvente weiterhin in permanentem Gebetsdienst leben, der immer auch das Wohlergehen von Obrigkeit und Land einbezog. Das liturgische Chorgebet mehrmals am Tag blieb auch im evangelischen Bereich der Kern des Klosterlebens. Denn es galt nach Matthäus 18, 19-20 immer noch: "Wenn zwei unter euch einig werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Um diese besondere Gebetsgemeinschaft zu schützen und alle "weltlichen Händel" von ihr fernzuhalten, schärfte die mecklenburgische Klosterordnung von 1572 den Klosterjungfrauen weiterhin strenge Klausur ein. Diese Abgeschiedenheit folgte im Grunde immer noch einer archaischen Abschottung geweihter Jungfrauen in agrarischen Gesellschaften, die keine Kontrolle über Geburten hatten.

Abb. 3: Konventualinnen im Kloster, 1923Details anzeigen
Abb. 3: Konventualinnen im Kloster, 1923

Abb. 3: Konventualinnen im Kloster, 1923

Abb. 3: Konventualinnen im Kloster, 1923

Auch wenn sich die Klostersitten nach dem 30jährigen Krieg und erst recht im Zeitalter der Aufklärung im 18. Jahrhundert immer mehr von ihren monastischen Ursprüngen lösten und die Unabhängigkeit der Klosterdamen von ihrer Gemeinschaft zunahm: Es lohnt im Jubiläumsjahr des Klosters Dobbertin nicht nur an die Frömmigkeit der mittelalterlichen Benediktinerinnen zu erinnern, sondern auch das geistliche Fundament evangelischer Frauenklöster zu beachten, das in den reformatorischen Kirchen- und Klosterordnungen des 16. Jahrhunderts neu gelegt wurde. Auf diesem Fundament ist heute das Kloster Heiligengrabe in der Prignitz zum Beispiel wieder befestigt worden.

Dr. René Wiese

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