Denkmal des Monats März 2025

Ein Ungeheuer mitten in Rostock

Abb. 1. Hansestadt Rostock, Parkstraße 6, ehem. Städtische Gewerbeschule.Details anzeigen
Abb. 1. Hansestadt Rostock, Parkstraße 6, ehem. Städtische Gewerbeschule.

Abb. 1. Hansestadt Rostock, Parkstraße 6, ehem. Städtische Gewerbeschule.

Abb. 1. Hansestadt Rostock, Parkstraße 6, ehem. Städtische Gewerbeschule.

In der Parkstraße in Rostock ist ein Ungeheuer zu finden. Es ist ziemlich groß, ganz grün und eigentlich kaum zu übersehen. Das Haus Parkstraße 6 trägt oder trug im Volksmund den Namen „Grünes Ungeheuer“ aufgrund seines grünen Fassadenputzes, der überwiegend aus der Erbauungszeit stammt (Abb. 1-2). Das Gebäude wurde als städtische Gewerbeschule von 1924 bis 1926 errichtet, der Architekt war der Stadtbaudirektor Gustav Wilhelm Berringer (1880-1953) (Abb. 3-4)). Er hatte in München, Berlin und Dresden Architektur studiert. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich auch dem Neuen Bauen zu, so stammen auch das Innerstädtische Gymnasium und das Kurhaus Warnemünde von ihm. 1934 legte er sein Amt nieder, nachdem es zu Konflikten gekommen war – der Stil des Neuen Bauens wurde im Nationalsozialismus angefeindet. Das Gymnasium erhielt ein Walmdach, das 2007 aus statischen Gründen zurückgebaut wurde.

Die Universität Rostock nutzt das Gebäude schon seit den 1950er Jahren. Das Gebäude wurde in der „Deutschen Bauzeitung“ im August 1927 ausführlich vorgestellt (61. Jg., Nr. 67, 20. August 1927), auch im Rostock-Band der Reihe „Deutschlands Städtebau“ des DARI-Verlages (1927) wurde es publiziert (Abb. 5-8).

In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war überall in Deutschland eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen, so wie hier in Rostock zwischen Ulmenstraße und der Bahnstrecke nach Warnemünde. Zuvor hatten in den Jahren bis 1923 die Inflation und teilweise auch von 1923 bis 1925 die Ruhrkrise das Bauen stark eingeschränkt. Der öffentliche Wohnungsbau wurde ab 1924 in erheblichem Maße mit dem Instrument der Hauszinssteuer finanziert. Zum Wohnungsbau kamen auch öffentliche Bauvorhaben verschiedenster Art hinzu, wie Schul- und Verwaltungsgebäude. Hintergrund war einerseits das starke Bevölkerungswachstum seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, andererseits das Bestreben, den Menschen angemessene Wohn- und Lebensverhältnisse zu schaffen. Die Altstädte waren in der Zeit teilweise zu Elendsquartieren herabgesunken und sehr dicht bewohnt, in den 1920er Jahren gab es erste Bestrebungen, Stadtsanierungen durchzuführen.

In den 1920er Jahren waren verschiedene Strömungen in der Architektur zu beobachten. Es wurden weiterhin Häuser in einem traditionalistischen Stil, gerne mit Walmdach, errichtet, deren Gestaltung die zu Beginn des Jahrhunderts aufgekommene Heimatschutzarchitektur fortschrieb, es gab die kubischen Flachdacharchitekturen des „Neuen Bauens“, deren bekannteste Beispiele die „Bauhaus“-Architektur und die Weißenhofsiedlung sind, und es gab expressionistische Architekturen, die sich vielfach durch die Verwendung dreieckig-kristalliner Formen und oftmals kräftige Farbgebung auszeichnen. Die verschiedenen Stilarten wurden durchaus unmittelbar benachbart angewendet, „stilreine“ Stadtquartiere waren die Ausnahme.

Die ehemalige Gewerbeschule in der Parkstraße ist ein Vertreter der expressionistischen Architektur. Der Spitzname Grünes Ungeheuer verweist darauf, dass die Farbgebung zur Bauzeit durchaus kontrovers rezipiert wurde, weil sie mit den Sehgewohnheiten brach. Der grüne Terranova-Edelputz ist unverwechselbar und prägt das Gebäude seit der Erbauung.

Am Gebäude fällt der Figurenschmuck auf; so sind am Altan vier allegorische Darstellungen „Farbe“, „Eisen“, „Holz“ und „Stein“ zu sehen, die von der Rostocker Künstlerin Margarete Scheel (1881-1969) gestaltet wurden, die oben am Gebäude sichtbaren Masken tragen auch ihre Handschrift (Abb. 9-10). Der Altan selber zeigt an den Pfeilern eine rötliche Farbgebung an den konisch nach unten zulaufenden Pfeilern, die ihn zusätzlich zu seiner Formensprache aus der Architektur des Gebäudes herausheben. Die Grundrissform des Altans als halbiertes Sechseck und die über den Durchgängen vorhandenen dreieckigen Öffnungen mit Ziergittern erinnern vage an gotische Kirchenchöre, die oftmals ebenso polygonal ausgebildet sind und Spitzbögen zeigen. Die allegorischen Figuren wären dann als Neuinterpretation von Heiligenfiguren zu denken, die Ziergitter als Maßwerk. Über dem Altan und dem dahinterliegenden Balkon sind die überhöhten Fenster zu sehen, die den Standort des großen Vortragssaales markieren. Diese Fenster haben dreieckige Oberlichter und führen in den flach dreieckigen Giebel, der die Fassade abschließt. Im Inneren ist der Haupteingang in gleicher Formensprache durchgestaltet (Abb. 11-13).

Das Gebäude hat drei Vollgeschosse zuzüglich Keller, wobei das Erdgeschoß als Hochparterre und der Keller teilweise bodengleich ausgeführt sind, und ein ausgebautes Dachgeschoß, die Grundrissfigur ist C-förmig. Es ist mit einem Walmdach abgeschlossen, mittig im Hauptdach sitzt ein Uhren“turm“, eher ein Dachreiter, der mit dreieckigen Spitzen abschließt. Die Fenster, mit weißen, zeittypisch kleinteiligen Flügeln in dunklen Rahmen, sind bis auf wenige Ausnahmen noch Originalbestand. Das Gebäude ist von einer Grünanlage umgeben, die es von seiner unmittelbaren Umgebung absetzt und es zusätzlich heraushebt. Auf der Rückseite ist ein Innenhof vorhanden, der gegenüber dem südlich anschließenden Gelände vertieft liegt. Der Innenhof ist der ursprüngliche Standort der Skulpturen „Arbeit“ und „Erholung“ von Margarete Scheel. Die Hauptfassade zum Innenhof weist in sechs der acht Achsen einen Laubengang im Kellergeschoß auf, vier Achsen des Laubengangs wurden nachträglich vermauert (Abb. 14-17).

Im Inneren finden sich viele Bauteile mit spitzwinkligen Details, wie etwa in Geländerstäben, Türoberlichtern oder Stuckleisten in der Deckengestaltung. Besonders prägnant ist die Decke im großen Vortragssaal im obersten Geschoß, der bis ins Dachgeschoß hineinreicht. Die Decke ist als Rabitzdecke ausgebildet und zeigt mehrere große, parallel verlaufende dreieckige Rabitzkörper, die eine zickzackförmige Decke bilden. Im großen Vortragssaal ist auf alten Fotos auch eine Wandmalerei des Malers Wolfgang Bergenroth (1893-1942) zu sehen, bei aktuellen restauratorischen Untersuchungen (Jörg Schröder, Rostock, 2023/24) fand sich davon allerdings bislang nichts. Die Wandmalerei wurde mutmaßlich in den 1950er Jahren beseitigt. Das auf historischen Aufnahmen zu sehende expressionistische Rednerpult ist nicht mehr vorhanden, lediglich ein Teil des Podestes ist noch erkennbar. Auch sonst ist die Ausstattung reduziert (Abb. 18-23).
Die Farbgestaltung der Fassade wird im Inneren abgewandelt weitergeführt, die restauratorischen Befunde zeigen kräftige Rot- und Grüntöne mit schwarzen Akzentuierungen. In zeittypischer Manier wurden bei der Erbauung solche Farbtöne vollflächig aufgebracht. Inwieweit dies bei den anstehenden Maßnahmen wiederhergestellt werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt (Abb. 24-25).

Aktuell wird die Sanierung des Gebäudes geplant und vorbereitet. Durch die intensive Nutzung durch die Universität Rostock zeigen sich Verschleißerscheinungen in vielen Bereichen und die Bauunterhaltung beschränkte sich meist auf pragmatische Einzellösungen. Im Laufe der Zeit sind viele Ausstattungselemente verloren gegangen, wie Leuchten und Einbaumöbel. Eine grundhafte Instandsetzung ist nach rund 100 Jahren erforderlich, um den Zustand zu verbessern, die technische Ausstattung auf den aktuellen Stand zu bringen und Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Der Schallschutz soll verbessert und die Beleuchtung aktuellen Anforderungen angepasst werden. Zudem soll auf die Dachseite zum Innenhof eine Photovoltaikanlage installiert werden und ein barrierefreier Zugang wird an der Westseite geschaffen, dazu ein Aufzug im Inneren eingebaut. Der Laubengang im Innenhof soll wiederhergestellt werden. Die vorhandenen originalen Fenster werden aufgearbeitet.

Das Gebäude und die umgebende Freifläche wurden bereits zu DDR-Zeiten als Denkmal geführt. Es steht aus geschichtlichen und künstlerischen Gründen unter Denkmalschutz, und zählt zu den architektonisch markantesten Bauten des 20. Jahrhunderts in Rostock. Die in erheblichem Umfang überlieferte Originalsubstanz unterstreicht die geschichtliche Bedeutung.

Die bauhistorische Recherche, die restauratorischen Untersuchungen und die Fotografien wurden von Jörg Schröder, Rostock, erstellt und werden hier mit freundlicher Genehmigung verwendet.

Stefan Beate

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