Frisch geschärft - Ein bronzezeitliches Schwert aus dem Flachen See bei Sophienhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte

Fund des Monats September 2019

Abb. 1. Sophienhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fpl. 11. Die 2013 geborgenen Bronzen der Periode V.Details anzeigen
Abb. 1. Sophienhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fpl. 11. Die 2013 geborgenen Bronzen der Periode V.

Abb. 1. Sophienhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fpl. 11. Die 2013 geborgenen Bronzen der Periode V.

Abb. 1. Sophienhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fpl. 11. Die 2013 geborgenen Bronzen der Periode V.

Der "Flache See" liegt etwa 14 km nordwestlich von Waren (Müritz) in der Mecklenburgischen Seenplatte und hat mit 2,7 km Länge eine durchaus beachtliche Ausdehnung. Freunde der Bronzezeit kennen ihn spätestens seit Mai 2013, denn seinerzeit wurden beim Tauchen mehrere Bronzen der Periode V entdeckt, die man offenbar in diesem See geopfert hatte (Schmidt 2017). Geborgen wurde nicht nur ein Tüllenbeil vom Typ Perleberg-Lenzersilge, das anhand von Holzresten in der der Tülle auf 820±14 calBC datiert werden konnte, sondern auch ein intaktes Griffangelschwert und ein bronzenes Beutelortband (Abb. 1). Letzteres war eine kleine Sensation, denn es gehört zu einem Typ, der ansonsten ausschließlich in Südwestdeutschland sowie der Region zwischen Seine und Maas vorkommt. In den Ortsakten des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern wird der Fundplatz seither unter der Nummer 11 der Gemarkung Sophienhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, geführt.

Nach dieser Vorgeschichte kam es nicht vollkommen unerwartet, dass die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Ina Großer und Dietmar Wulkau am 5. August 2018 bei einem Prospektionstauchgang im See auf ein weiteres Bronzeschwert stießen. Überraschend war jedoch, dass es sich um ein Schwert der Periode VI handelte, also um einen deutlich jüngeren Fund. Auch weil sein Auffindungsort gut 40 m südlich von der Stelle lag, an der 2013 die Bronzen aufgefunden wurden, ist eine gemeinsame Niederlegung wenig wahrscheinlich.

Bei dem Neufund handelt es sich um ein 63 cm langes bronzenes Griffzungenschwert (Abb. 2). Die Schneide ist fast vollkommen frei von Scharten oder anderen Gebrauchsspuren und macht den Eindruck, als wäre sie jüngst geschärft worden. Nur der obere Abschluss des Knaufbereiches wirkt auf den ersten Blick beschädigt, doch dürfte dies eher durch Materialknappheit beim Guss bedingt sein. Die trapezförmige Kopfplatte trägt am oberen Rand ein Nietloch, dessen Durchmesser mit 0,5 cm deutlich größer ist als bei den übrigen Löchern. Die Griffzunge ist an den Rändern leicht verdickt, unterhalb der Mitte gebaucht und dort mit zwei kleineren Nietlöchern versehen. Im oberen Nietloch befindet sich ein abgebrochener Nietstiftrest. Unterhalb der 12,3 cm langen Griffpartie zieht die Klinge zunächst ein. Dieses Teilstück ist stumpf und bildet das sogenannte "Ricasso", eine erweiterte Griffpartie, die nötig ist, weil die Griffe bronzezeitlicher Schwerter zu kurz für die menschliche Hand sind. Unterhalb des Ricasso beginnt die eigentliche Schneide, auf der plastische Klingenrippen die weidenblattförmige Kontur der 50,7 cm langen Klinge nachzeichnen. Insgesamt wiegt das Fundstück 682 g.

Formal lässt sich das Sophienhofer Stück den sogenannten Hallstattschwertern vom Typ Gündlingen zuordnen. Aktuell sind auf dem Kontinent mindestens 180 Schwerter dieses Typs bekannt, von denen das Gros aus Bronze besteht, nur 18 Exemplare sind aus Eisen gefertigt (Pare 2004, 539 ff.). Ihr Verbreitungsgebiet umfasst weite Teile Mittel-, West- und Nordwesteuropas, wobei die Stücke überwiegend aus Gräbern stammen. Nur im Norden und auf den Britischen Inseln sind sie vornehmlich aus Fluss- und Depotfunden überliefert (Abb. 5). Sie datieren in die frühe Hallstattzeit (Ha C1a), sind also an den Beginn der Periode VI zu setzen.

Peter Schauer gliederte die Gündlingen-Schwerter nach Nietung und Knaufgestalt in vier Typen und eine Variante (Schauer 1971, 198 ff.). Das Fundstück aus Sophienhof ist den "Griffzungenschwertern des Typs Steinkirchen" zuzuweisen, deren Länge zumeist zwischen 65 cm und 75 cm variiert. Ihr Vorkommen lässt mehrere Verbreitungsschwerpunkte erkennen, in denen auch Werkstätten vermutet werden. Im nördlichen Mitteleuropa sind sie jedoch ausgesprochen selten.

Aus Mecklenburg-Vorpommern waren bislang fünf Vertreter vom Typ Steinkirchen bekannt (Wüstemann 2004, 72 f. Taf. 34, 233–237). Drei stammen aus Lübz, Lkr. Ludwigslust-Parchim, oder dessen Umgebung, die beiden anderen wurden im südöstlichen Teil des heutigen Landkreises Mecklenburgische Seenplatte gefunden, ohne dass der genaue Fundort überliefert ist. Mit Sophienhof liegt nun ein sechstes Exemplar vor, dessen Auffindungsort fast mittig zwischen den beiden bisherigen Fundkonzentrationen gelegen ist, wobei seine Länge mit nur 63 cm etwas geringer ist als bei den übrigen Stücken des Typs Steinkirchen.

Bemerkenswert ist, dass alle nordostdeutschen Stücke aus feuchtem Fundmilieu stammen, wobei aber das Fundstück von Sophienhof das einzige ist, das aus einem See geborgen wurde. Die Deponierung von Bronzegegenständen in Seen setzt in Mecklenburg-Vorpommern vermehrt während Periode III ein und lebt bis Periode VI fort (ausführlich: Schmidt 2017, 278 f.). Auffallend hoch ist dabei der Anteil der Periode VI-zeitlichen Bronzen, denn während der ausgehenden Bronzezeit geht die Zahl der Deponierungen ansonsten deutlich zurück – was offenbar nicht für Deponierungen in Seen gilt. Diese Feststellung wird durch den Neufund aus Sophienhof nachdrücklich gestützt.

Dr. Jens-Peter Schmidt

Literatur:

Pare 2004: C. F. E. Pare, Hallstattzeit. In: Stichwort „Schwert“. – Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 27. Berlin, New York, 537–545.

Schauer 1971: P. Schauer, Die Schwerter in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz I. – Prähistorische Bronzefunde IV, 2. München.

Schmidt 2017: J.-P. Schmidt, Ein Fremdling im Nordischen Kreis. – Jungbronzezeitliche Funde aus dem Flachen See bei Sophienhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. In: D. Brandherm/B. Nessel (Hrsg.), Phasenübergänge und Umbrüche im bronzezeitlichen Europa. Beiträge zur Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Bronzezeit auf der 80. Jahrestagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumskunde. – Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 297, 271–281. Bonn.

Wüstemann 2004: H. Wüstemann, Die Schwerter in Ostdeutschland. – Prähistorische Bronzefunde IV, 15. Stuttgart.

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