Nur noch ein Schatten seiner selbst - Ein mittelslawisches Körpergrab bei Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald

Fund des Monats November 2020

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Körpergrab während der Freilegung. Foto: LAKD M-V/LA, A. Selent.Details anzeigen
Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Körpergrab während der Freilegung. Foto: LAKD M-V/LA, A. Selent.

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Körpergrab während der Freilegung.

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Das Körpergrab während der Freilegung.

Die Sanderflächen westlich der Uecker bei Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald, waren offenbar ein beliebter Siedlungsplatz. Bei den archäologischen Arbeiten auf der Trasse der EUGAL-Gaspipeline wurden hier im Januar 2019 zahlreiche Siedlungsbefunde aus verschiedenen Zeiten dokumentiert.

Eine Ost-West orientierte, über 3 m lange und fast 2 m breite Verfärbung von langovaler Form erschien zunächst ebenfalls wie ein Siedlungsbefund. In den tieferen Schichten kamen jedoch die Reste einer Körperbestattung zutage (Abb. 1). Der Leichnam war in gestreckter Rückenlage in einer langschmalen, Nord-Süd-orientierten Grabgrube von 1,8 x 0,8 m Größe und 0,7 m Tiefe niedergelegt worden. Einbauten, Reste eines Sarges oder Totenbrettes fanden sich nicht.

Das juvenile Individuum lag mit dem Schädel im Süden (Blick nach Osten) mit seitlich anliegenden Armen und gestreckten Beinen in der Grabgrube. Die Knochen waren, bedingt durch den Sandboden, nur im Schädelbereich sowie an den Langknochen (Femur und Humerus) fragmentarisch erhalten. Dafür zeichnete sich um die einstigen Knochen ein außergewöhnlich dunkler Leichenschatten ab (Abb. 2). Das Geschlecht des Individuums konnte aufgrund der sehr schlechten Knochenerhaltung nicht bestimmt werden.

Das Grab erwies sich als beigabenlos. In einer östlich angrenzenden Erweiterung der Grabgrube fanden sich jedoch die aufrecht stehenden Überreste eines Gefäßes mit umlaufender Rillenzier und Gruppen von Einstichen auf dem Umbruch (Abb. 3). Das 11 cm hohe Gefäß ist von grober Machart und dunkelbrauner Farbe. Sein scharfer Umbruch und die doppelkonische Form kennzeichnen es als mittelslawisches Gefäß des Typs 3 der Menkendorfer Gruppe nach E. Schuldt (Schuldt 1956, 10-14). Der Typ datiert etwa in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts bis in das 10. Jahrhundert (Kersting u.a. 2016, 94; Bleile u.a. 2009, 119). Auf der Bodenunterseite ist der Achsabdruck der Töpferscheibe deutlich erkennbar.

Beigegebene Gefäße finden sich in Körpergräbern nur selten und dann in der Regel auch nur in Kindergräbern. Gefäßreste hingegen kommen als Grabbeigabe bei Individuen aller Altersklassen vor. Das Pasewalker Gefäß ist aufgrund seiner Erhaltung und seiner Befundlage nicht als Beigefäß zu werten, lässt sich aber als Teil der Bestattungszeremonien, möglicherweise als Behältnis für ein Trankopfer o.ä. deuten, bei dem es dann zerschlagen und in die erweiterte Grabgrube geworfen wurde (Pollex 2010, 187–192).

Kulturell markiert das Pasewalker Körpergrab die historisch interessante Übergangsphase zwischen den heidnischen Brandgräbern unter Hügeln und den schon christlich geprägten Körperflachgräbern in West-Ost oder Ost-West-Orientierung (mit Ausnahmen), wobei eine genauere zeitliche und kulturelle Einordnung der selten nachgewiesenen Nord-Süd/Süd-Nord-orientierten Gräber bisher fehlt (Pollex 2010, 24–36; 309–314).

In das Bild des Übergangs passt, dass nur wenige Meter nördlich des Körpergrabes die Reste einer grabenförmigen Grabanlage mit einer Steinkonzentration entdeckt wurden, in welcher sich verbranntes Knochenmaterial fand. Bei diesem Befund liegt die Annahme nahe, dass es sich um eine mittel- bis jungslawische Bestattungsform handelt, wie sie ähnlich bei Alt Kosenow, Lkr. Vorpommern-Greifswald, nachgewiesen werden konnte (Engel 2014).

Dr. Andreas Selent

Literatur

Bleile u.a. 2009: R. Bleile/W. Dörfler/S. Kleingärtner/U. Müller/O. Nelle, Das Projekt Olsborg. Untersuchungen auf einer Insel im Großen Plöner See. In: U. Müller/S. Kleingärtner/F. Huber (Hrsg.), Zwischen Nord- und Ostsee 1997-2007. Zehn Jahre Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie (AMLA) in Schleswig-Holstein. – Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 165. Bonn 2009, 109–128.

Engel 2014: C. Engel, Merkwürdige Kreisgräben und geheimnisvolle Steingruben in Alt Kosenow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. In: D. Jantzen/Lars Saalow/Jens-Peter Schmidt (Hrsg.), PIPELINE:ARCHÄOLOGIE. Ausgrabungen auf den großen Ferngasleitungen in Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin 2014, 327-330.

Kersting u.a. 2016: T. Kersting/O. Blum/B. Jungklaus/B. Teßmann, Bestattungsritus im Wandel – slawische Gräber bei Leest, Lkr. Potsdam-Mittelmark. In: F. Biermann/T. Kersting/A. Klammt (Hrsg.), Die frühen Slawen – von der Expansion zu gentes und nationes. Beiträge der Sektion zur slawischen Frühgeschichte des 8. Deutschen Archäologiekongresses in Berlin (06.-10. Oktober 2014). Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 81. Langenweissbach 2016, 83–97.

Pollex 2010: A.Pollex, Glaubensvorstellungen im Wandel. Eine archäologische Analyse der Körpergräber des 10. bis 13. Jahrhunderts im nordwestslawischen Raum. – Berliner Archäologische Forschungen 6. Rahden/Westf. 2010.

Schuldt 1956: E. Schuldt, Die slawische Keramik in Mecklenburg. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte Bd. 5. Berlin 1956.

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