Zerschmolzener Luxus - ein kaiserzeitliches Grab aus Zarnekow, Lkr. Vorpommern-Greifswald

Fund des Monats Februar 2020

Abb. 1: Zarnekow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die Grabgrube mit der Urne im Profil.Details anzeigen
Abb. 1: Zarnekow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die Grabgrube mit der Urne im Profil.

Abb. 1: Zarnekow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die Grabgrube mit der Urne im Profil.

Abb. 1: Zarnekow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die Grabgrube mit der Urne im Profil.

Der Bau der Europäischen Gas-Anbindungsleitung (EUGAL) erforderte umfangreiche archäologische Vorarbeiten. So mussten allein bei Zarnekow mehrere urgeschichtliche Siedlungen dokumentiert werden, um den Weg für die Bauarbeiten frei zu machen. Nahe einer kleinen Niederung kam außerdem ein Brandgrab aus der römischen Kaiserzeit zu Tage, das es in sich hatte (Abb. 1):

Schon in der Gruben­verfüllung oberhalb der Urne fanden sich Reste einer äußerst reichhaltigen, aber stark durch Hitze in Mitleidenschaft gezogenen Beigaben­ausstattung. Viele Bronzeschmelztropfen, Bronzeblechschnipsel und ein Silberschmelztropfen können keinem bestimmten Gegenstand mehr zugeordnet werden. Dagegen war eine bronzene Henkelattasche mit eindrucksvoller, maskenartiger Gesichtsdarstellung noch klar erkennbar (Abb. 2). Sie gehörte ursprünglich zu einem Kessel oder Eimer aus römischer Produktion. Außerdem enthielt die Gruben­verfüllung Teile von Griffstücken, die vermutlich von zwei Kellen des Typs Eggers 162 stammen (Eggers 1951, vgl. auch Seyer/Voß 2002), eine Bronzeschnalle sowie zwei Bruchstücke eines Fingerrings aus Goldblech (ehem. Dm. 2,6 cm, Br. 0,5 cm; Abb. 3).

Die steilwandige Grabgrube hatte einen Durchmesser von etwa 90 cm und war im anstehenden Boden noch etwa 50 cm tief erhalten. Das dunkelgraue und schwarz melierte Sediment, das außer den Metallfragmenten auch zahlreiche Leichenbrandstückchen enthält, lässt vermuten, dass sie mit den Resten des Scheiterhaufens verfüllt wurde.

Die Urne, eine schwarzpolierte Terrine mit zweizeiligem Rollrädchenmuster auf Schulter und Bauch, war mit relativ großstückigem Leichenbrand gefüllt. Die Schädelteile befanden sich vornehmlich im oberen Drittel, die Röhrenknochen hingegen in der unteren Hälfte. Nach der anthropologischen Auswertung handelte es sich bei dem Toten wahrscheinlich um einen Mann zwischen 40 und 60 Jahren (Bestimmung: A. Schramm, LAKD MV/LA).

Zwischen den Leichenbrandstücken in der Urne lagen weitere Teile römischer Importgefäße: einige dünne Bronzeblechreste – teils mit feiner Lochung und zu einem Siebgefäß gehörig, teils als Randfragmente von einem Bronzebecken/-eimer erkennbar –, der zu der Gesichtsattasche gehörende Henkelring, ein gerippter Trinkhorn­endbeschlag aus Bronze sowie flache Blechstücke, die als Griff- oder Henkelteile eines Siebes oder einer Kelle zu werten sind.

Aufgrund seines Inventars, das u. a. Teile eines aus dem römischen Reich importierten Trinkservices sowie eines Goldrings beinhaltet, handelt es sich um einen Grabfund, der den älterkaiserzeitlichen Lübsowgräbern (1.-2. Jh. n. Chr.; vgl. Eggers 1949/50, vgl. auch Schuster/Cieśliński 2009) zumindest nahekommt. Überraschende Ähnlichkeiten zeigt eine reich ausgestattete Bestattung aus Řepov in Mittelböhmen, Tschechien (Eggers 1956). Dort wurden in einem Körpergrab eine Kasserolle mit fast identischer Henkelattasche (Eggers Typ 142), ein Trinkhornendbeschlag und zwei Kellen gefunden. Diese Ähnlichkeiten in der Ausstattung sind ein beein­druckender Hinweis auf die weitgreifende Anziehungskraft, die römische Luxusgüter auf die germanische Elite ausübten. Auch in Zarnekow wurde eine Persönlichkeit bestattet, die durch das außergewöhnlich reichhaltige Beigabeninventar für das Jenseits bestens ausgerüstet war.

Zwei im Planum rundliche und scharf umrissene, trichterförmige Gruben (Dm. 2,50 bzw. 2,15 m), verfüllt mit mittelgrau/dunkelgrau-meliertem Sediment, lagen zwei bzw. vier Meter südwestlich vom Grab entfernt und könnten Reste von weiteren, bereits beraubten Gräbern darstellen.

C. Unglaub

Literatur:

Eggers 1949/50: H.-J. Eggers, Lübsow, ein germanischer Fürstensitz der älteren Kaiserzeit. Prähistorische Zeitschrift 34/35, Bd. 2, 1949/50, 58-111.

Eggers 1951: H.-J. Eggers, Der römische Import im freien Germanien. Atlas der Urgeschichte, Bd. 1 (Hamburg 1951).

Eggers 1956: H.-J. Eggers, Die römische Frauenkopfattache von Luhmühlen, Kreis Harburg und ihre Zeit. In: Zur Ur- und Frühgeschichte Nordwestdeutschlands: neue Untersuchungen aus dem Gebiete zwischen Ijssel und Ostsee. Festschrift zum 70. Geburtstag von K. H. Jacob-Friesen (Hildesheim 1956) 212-217.

Schuster/Cieśliński 2009: J. Schuster und A. Cieśliński, Der älterkaiserzeitliche Fürstengräberfundplatz Lübsow-"Tunnehult". Neue Geländeforschungen. Germania 87, 2009, 569-587.

Seyer/Voß 2002: H. Seyer und H.-U. Voß, Eine Kelle Typ "Juellinge" (Eggers 162) aus der ehemaligen Neumark - einige Bemerkungen zu den frühkaiserzeitlichen Kelle-/Siebgarnituren im unteren Elbe- und Odergebiet. In: Zwischen Rom und dem Barbaricum. Festschrift für T. Kolnik zum 70. Geburtstag (Nitra 2002) 365-375.

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