Das Fischerhaus im Tollensesee

Denkmal des Monats September 2018

Abb. 1. Neubrandenburg, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fischerinsel, Fischerhaus, Ostansicht, 2018. (Foto: LAKD-MV/LD, J. Schirmer)Details anzeigen
Abb. 1. Neubrandenburg, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fischerinsel, Fischerhaus, Ostansicht, 2018. (Foto: LAKD-MV/LD, J. Schirmer)

Abb. 1. Neubrandenburg, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fischerinsel, Fischerhaus, Ostansicht, 2018.

Abb. 1. Neubrandenburg, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fischerinsel, Fischerhaus, Ostansicht, 2018.

Am südlichen Ende des Tollensesees bei Neubrandenburg, unweit des Ortes Wustrow, liegt im heutigen Naturschutzgebiet "Nonnenhof" die sog. Fischerinsel. Auf ihr stehtein 1729 in den Ratsprotokollen der Stadt Neubrandenburg erwähntes Fachwerkgebäude (Abb. 1-2).

Seit 1867 rückte die Insel immer wieder in den Fokus des öffentlichen Interesses, vornehmlich der Altertumskunde und der Archäologie. Der Neubrandenburger Archivrat Franz Schildt wies 1887 darauf hin, dass im Jahre 1886 Reste einer Pfahlbrücke gefunden wurden, die von Wustrow zu der Insel führten und bereits durch das Anstauen des Sees in der Mitte des 13. Jahrhunderts überdeckt wurden. Archäologische Grabungen der 1960er und 1970er Jahre belegten einen spätslawischen/pommerschen Siedlungsort, der vermutlich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts unbrauchbar wurde.

Das zweigeschossige, fünfachsige, barocke Fachwerkgebäude mit Satteldach ist in Nadelholz mit je einer Riegellage errichtet und weist ursprüngliche Lehmstakenausfachungen unterschiedlicher Breiten sowie geschossweise Streben auf. Das Dach ist mit Biberschwänzen in Spliesdeckung gedeckt (Abb. 3). Ziegelausfachungen und Zementputz sind Reparaturen des 20. Jahrhunderts geschuldet. Frühere Fotografien zeigen das Gebäude mit einer hellen (vermutlich weißen) Schlämme (Abb. 4). Die Traufseiten zeigen eine Mittelflurerschließung, die Ostseite mittig einen einachsigen Erker mit abgeschlepptem Dach (Abb. 5).

Die Grundstruktur des Hauses mit breitem Mittelflur, hausmittiger gemauerter Herdstelle und jeweils zwei Zimmern rechts und links der Diele ist klar zu erkennen. Auf der Ostseite der Diele befand sich die ins Obergeschoss führende Stiege (Abb. 6). Inwieweit eine weitere originale Herdstelle im Obergeschoss angenommen werden darf, ist im Rahmen einer noch ausstehenden Bauaufnahme zu ermitteln.

Das bereits 1986 nach dem DDR-Denkmalpflegegesetz als Denkmal erfasste Fischerhaus wurde 2006 notgesichert und danach leider sich selbst überlassen. Durch Witterungseinfluss und mangelnde bereits damals erforderliche weitergehende Instandsetzungsmaßnahmen ist das Fachwerkgebäude, dem eine überregionale Bedeutung beizumessen ist, in seinem Bestand akut gefährdet. Bereits bei einem kurzen Vergleich mit den in Neubrandenburg oder Penzlin erhaltenen, zweigeschossigen, barocken Fachwerktraufenhäusern, die ebenfalls geschossweise abgebunden sind, fällt nicht nur der offenbar bauzeitliche Erker sondern auch die hausmittig in der Diele befindliche Herdstelle auf (Abb. 7). Die sonst in Mecklenburg und Vorpommern erhaltenen Fischerkaten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in den Küstenregionen und an den Binnenseen sind hingegen eingeschossige Fachwerkbauten mit Rohrdeckung, die Küche weist die Herdstelle auf und ist als solche klar vom Flur abgegrenzt. Da Stallanbauten fehlen, stellt sich die Frage der Unterbringung von Nutzvieh. Umbauphasen und Nutzungsänderungen einzelner Bereiche konnten bisher jedoch noch nicht untersucht werden, so dass auch hierzu bisher keine Aussagen gemacht werden können.

Grundlegend bedarf es eines Vergleiches mit den mitteldeutschen Querflurhäusern, den sogenannten Ernhäusern, einem traufseitig erschlossenen Wohnstallhaus, das hier wohl als Vorbild gedient haben dürfte. Der Mittelflur ist zentraler Raum des Ernhauses, hier befindet sich die Herdstelle, die offenbar erst später vom Flur als Küche abgetrennt wird. Üblich sind ein- bzw. eineinhalbgeschossige Ernhäuser. Verwiesen sei etwa auf ein erhaltenes eingeschossiges Ernhaus in Krumbeck, Gem. Feldberger Seenplatte, Schlichter Weg 45, sowie ein von Karl Baumgarten 1987 aufgenommenes eingeschossiges Ernhaus in Lärz, ebenfalls Lkrs. Mecklenburgische Seenplatte (Karl Baumgarten/Angelika Heim, Landschaft und Bauernhaus in Mecklenburg, Berlin 1987, Abb. 184). Zweigeschossige Bauten sind nur selten nachgewiesen, im Land Brandenburg beispielsweise nur zweimal (s. V. Schnöke, Brandenburger Bauernhöfe. Handbuch für Architekten und Bauherrn. 3 Bde., Berlin 2004). Charakteristisch für das mitteldeutsche Ernhaus ist auch der verschalte steile Giebel, wie er beim Fischerhaus im Tollensesee ebenfalls beidseitig vorhanden ist (Abb. 8-9).

Gleichwohl stößt man bei einem Blick auf Fischerhäuser in Schleswig-Holstein auf einen teilweise vergleichbaren Typ in Kiel-Ellerbek, dessen 1699 für vier Familien geschaffener Grundriß gleich drei Herdstellen in den beiden hausmittigen Dielen aufweist (s. G. Timmermann, Das Fischerhaus in Schleswig-Holstein, in: Nordelbingen 30, 1961, S. 71-82). Markenzeichen ist, dass sich mehrere Fischerfamilien eine hausmittig gelegene Herdstelle in der Diele teilen, wie dies deutlich auch im Fischerhaus im Tollensesee angenommen werden kann.

Das die Kulturlandschaft am Tollensesee wesentlich prägende und von den Touristen der Ausflugsschiffe als idyllisch bestaunte Fachwerkgebäude verfällt leider derzeit, obwohl erste positive Gespräche zur Sicherung und deren Finanzierung einvernehmlich seitens der Eigentümerin mit der Denkmalschutzbehörde und der Naturschutzbehörde geführt wurden. Eigentümerin ist die Stadt Neubrandenburg, immernoch, seit 1729 (sic!), als Fischer noch für die Versorgung der Stadt mitverantwortlich waren. Damit dürfte es sich auch um eines der ältesten durchgängig in kommunalem Besitz befindlichen Wohnhäuser des Landes handeln.

Aus wirtschafts- und sozialgeschichtlichen sowie volkskundlichen Gründen ist dem barocken Fachwerkbau demnach eine überregionale Bedeutung beizumessen. Dass das Gebäude ebenso wie jeder Marktbrunnen oder jedes Standbild aufgrund seiner besonderen Lage nach heutigen marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen betriebswirtschaftlichen Gewinn erwirtschaften kann, versteht sich von selbst. Darum kann es an dieser Stelle im Naturschutzgebiet "Nonnenhof" aber auch nicht gehen. Dieses ist seit 1988 Europäisches Vogelschutzgebiet. Temporäre Nutzungen des Fischerhauses und damit geregelte Besuche der Fischerinsel sind daher nicht gänzlich ausgeschlossen. Somit besteht weiterhin eine Chance, dieses einmalige Kulturgut für die Nachwelt zu erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die Stadtvertreter Neubrandenburgs dies auch so sehen.

Jan Schirmer

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