Dorfkirche Bütow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte - Die erste nachreformatorische Fachwerkkirche Mecklenburg-Vorpommerns

Denkmal des Monats Dezember 2019

Abb. 1 Bütow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fachwerkkirche, Nordostansicht.Details anzeigen
Abb. 1 Bütow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fachwerkkirche, Nordostansicht.

Abb. 1 Bütow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fachwerkkirche, Nordostansicht.

Foto: Gordon Thalmann, Klein Gottschow

Abb. 1 Bütow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Fachwerkkirche, Nordostansicht.

Foto: Gordon Thalmann, Klein Gottschow

Im Südwesten der Ortslage Bütow, etwas versteckt in zweiter Reihe hinter der Wohnbebauung, befindet sich die doch etwas außergewöhnlich anmutende Dorfkirche (Abb. 1). Das denkmalgeschützte Bauensemble, das aus einem rechteckigen Fachwerksaal und einem massiven Westturm besteht, konnte im Herbst 2014 durch den Verfasser im Rahmen seines Dissertationsprojektes und in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) Berlin (Dr. Uwe Heußner) bauhistorisch und gefügekundlich untersucht werden. Dies führte zu neuen, erstaunlichen und spannenden Erkenntnissen.

Als Martin Luther 1517 in Wittenberg seine Thesen anschlug, befand sich der massive spätmittelalterliche Kirchturm mit seinem in Backstein gefassten dreifach gestuften Spitzbogenportal in Bütow gerade im Bau. Das Feldsteinmauerwerk der Außenmauern dürfte zu dieser Zeit noch nicht bis zur abschließenden Höhe geführt worden sein, denn die für die Geschossebene unter der Glockenstube verwendeten Mauerschwellen und Deckenbalken datieren dendrochronologisch in das Jahr 1519 (d). Die dafür verwendeten heimischen Eichenstämme entstammten den umliegenden Wäldern und wurden - wie im späten Mittelalter im Binnenland noch üblich - saftfrisch ohne größere Transportwege und Lagerungszeiten nach der Winterfällung im Folgejahr 1520 verbaut. Der gesamte Kirchturm inklusive des Daches dürfte somit spätestens in den frühen 20er Jahren des 16. Jahrhunderts fertiggestellt gewesen sein.

Zu dieser Zeit muss es noch einen älteren Kirchenbau, vermutlich einen schlichten Fachwerksaal gen Osten gegeben haben, der nach der Reformation erneuert wurde. Dies bestätigten die Untersuchungen. Bei dem heutigen Kirchensaal (Abb. 2) handelt es sich um einen auf rechteckigem Grundriss errichten siebenachsigen Fachwerkständerbau mit Ziegelausfachungen (einst in Lehmstakung), dessen untere horizontale Zonierung aufgeblattete Kreuzstreben aufweist. Der mit sogenannten Schiffskehlen profilierte Traufgesimsbalken des vorkragenden Ostgiebeldreiecks gehört ebenso wie die kerbschnittverzierten Knaggen, die auf die Fachwerkständerköpfe mit darüber liegendem Rähm gesetzt wurden (Abb. 3), zur durchaus dekorativen Holzarchitektur des Kirchenbaus.

Bei dem Dachwerk über dem Bütower Fachwerksaal handelt es sich konstruktiv um ein bauzeitlich acht Bindergespärre umfassendes Kehlbalkendach, das keine Längsaussteifung besitzt (Abb. 4). Lediglich quer unter die Sparren genagelte Latten, im historischen Zimmerhandwerk auch als "Windrispen" bezeichnet, übernehmen heute noch indirekt diese Funktion. Als Besonderheit fallen die bereits gezapften Kehlbalken auf, wohingegen die oberen Hahnbalken der Einzelgebinde noch ganz traditionell in mittelalterlicher Art mit sogenannten einseitigen Schwalbenschwanzblättern verzimmert sind. Das dritte und sechste Gespärre von Osten besitzt darüber hinaus jeweils zwischen Sparren und Kehlbalken aufgeblattete leicht schräg gestellte Streben, die eine zusätzliche Steifigkeit im Querbindersystem aufbringen sollen. Als Abbundzeichen (Zimmermannsmarkierungen) lassen sich in der Dachkonstruktion in konventioneller Seitenunterscheidung einerseits additiv gereihte Fähnchen sowie andererseits kurz geschlagene Beilkerben finden, die jeweilig mit einer frühen Form der Römischen Zählung verbunden sind.

Die dendrochronologische Altersbestimmung der für das Dachwerk verwendeten Eichenhölzer ergab, dass diese in den Wintermonaten der Jahre 1551-53 (d) eingeschlagen wurden. Das Bauholz für den Fachwerkgiebel der Ostfassade konnte einer nicht so häufig vorkommenden Frühjahr-/Sommerfällung 1553 (d) SW zugeordnet werden. In diesem Kontext belegen die signifikanten Trocknungsrisse durch die Abbundzeichen ebenfalls eine nur kurze Lagerungszeit von wenigen Wochen. Das in diesem Fall noch fast saftfrische Eichenholz wurde demnach im Jahre 1554 verbaut, so dass der Fachwerkbau fertiggestellt werden konnte. Zudem ließ sich eine barocke Dachwerksreparatur ermitteln, die um 1752 (d) erfolgte.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde zunächst zum vorletzten Mal im größeren Umfang an der Bütower Kirche gebaut. Laut den Befunden im Dachwerk waren die weiten Sparrenabstände des Fachwerkbaus wohl nicht mehr ausreichend, um den gegebenen oder gedachten statischen Anforderungen zu genügen, sodass zwischen die bauzeitlichen Bindergespärre zusätzliche acht neue Sparrenpaare als Hilfsgespärre eingebaut wurden. Die alten bauzeitlichen Gespärre erhielten zur zusätzlichen Sicherung der Knotenpunkte Eisenklammern. Laut einer Inschrift auf einem der Kehlbalken im Dach erfolgte diese Maßnahme wohl im Jahre 1876. Daneben verewigten sich einige Bauleute mit Namen, so wie "Chr. Ebel" (Abb. 5). In diesen Kontext gehört wohl auch der doch erhebliche Eingriff, der mit der Erneuerung der südlichen Kirchenschiffwand mit massivem Backstein im neugotischen Stil erfolgte und somit auf unerklärliche Weise in der älteren Literatur zu Fehldatierungen führte. In diesem Zuge wurde auch der verbliebene Fachwerkteil instandgesetzt und der Fensterbestand erneuert.

Zu erwähnen bleibt noch, dass sich auch Reste der mittelalterlichen Kirchenausstattung, also des Vorgängerbaus in Form von Wiederverwendungen erhalten haben. Der als Marriage (Abb. 6) anzusprechende Altaraufsatz der Bütower Kirche beherbergt in seinem in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts gefertigten Renaissancegehäuse spätgotische Schnitzfiguren eines ehemaligen Flügelaltars, darunter im Mittelfeld eine Kreuzigung und auch verschiedene Einzelskulpturen von Heiligen (z. B. Johannes der Täufer). Ein typischer Fall von früher "Denkmalerhaltung". Lt. einer Inschrift wurde der Altar 1734 renoviert und neu bemalt.

Der im Jahre 1554 errichtete Kirchensaal in Bütow gehört zu den ersten sakralen baulichen Zeugnissen, die nach der Reformation in Mecklenburg-Vorpommern entstanden. Darüber hinaus kann der Bau als erste nachreformatorische Fachwerkkirche des Landes gelten, die auf Veranlassung des ersten seit 1548 in Bütow tätigen evangelischen Predigers (Pfarrers) namens Nasius Böddicher (Abb. 7) in Auftrag gegeben wurde. Der Sakralbau belegt mit seiner "Frühdatierung" zudem, dass gerade in den heiklen 1530/40er Jahren der reformatorischen Umwälzungen hierzulande vorerst keine neuen Kirchengebäude entstanden. Erst allmählich kam nach den gesellschaftlichen und kirchenpolitischen Veränderungen, nach der Reformation, die sakrale Baukonjunktur wieder zu neuem Aufschwung.

Gordon Thalmann

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