Ein hoffnungsloser Fall? Die Sanierungsgeschichte des Wasserschlosses von Quilow.

Denkmal des Monats April 2023

Abb. 14. Quilow, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Wasserschloss nach Abschluss der denkmalgerechten Sanierung, Blick von NordwestenDetails anzeigen
Abb. 14. Quilow, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Wasserschloss nach Abschluss der denkmalgerechten Sanierung, Blick von Nordwesten

Abb. 14. Quilow, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Wasserschloss nach Abschluss der denkmalgerechten Sanierung, Blick von Nordwesten

Abb. 14. Quilow, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Wasserschloss nach Abschluss der denkmalgerechten Sanierung, Blick von Nordwesten

Das Quilower Wasserschloss liegt im Landkreis Vorpommern-Greifswald und ist als eines der wenigen renaissancezeitlichen schlossartigen Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern für unsere Kultur- und Gutshauslandschaft besonders (Abb. 1).

Um 1575 wurde es durch die schlossgesessene, also gegenüber anderen Adelsfamilien privilegierte Familie von Qwstin errichtet, deren Mitglieder teils hohe Ämter am Hof der pommerschen Herzöge bekleideten. Ihre Bedeutung und Ihr Selbstverständnis zeigt sich in der repräsentativen Gestaltung und Qualität des Bauwerks.

Dazu markiert seine Architektur den Übergang vom Bautyp der mittelalterlichen Burg als befestigte Wehr- und Wohnanlage zum Schloss mit reiner Repräsentations- und Wohnfunktion. Dies kann am Treppenturm, der noch an einen Wehrturm erinnert, und den ehemals umgebenden Wassergraben festgemacht werden, dem nunmehr keine Verteidigungsfunktion zukam (Abb. 2).

Sein besonderer Wert zeigt sich auch darin, dass das Wasserschloss schon früh als ein Denkmal erkannt wurde und spätestens 1950 im Fokus der Denkmalpflege stand.

In einem Protokoll des damaligen Vertrauensmanns für Denkmalpflege vom 03.12.1950 heißt es wie folgt: „Der bauliche Zustand ist sehr schlecht. Der sumpfige Untergrund mag viel zum Verfall des Wasserschlosses beigetragen haben. Wände, Gewölbe und Decken zeigen an zahlreichen Stellen Risse. Eine Fensterwölbung kann nur noch durch Holzstützen gehalten werden. Der Treppenturm an der Südseite steht schief. … Die Giebel an der Ost- und Westseite sind stark nach innen geneigt und werden scheinbar nur noch durch die Dachkonstruktion gehalten.“1

Stützpfeiler an den Außenwänden aus den 1740er Jahren zeugen davon, dass das Wasserschloss nicht erst seit 1950 mit statischen Problemen zu kämpfen hatte (Abb. 3).

Angesichts knapper Ressourcen wollten die Verantwortlichen deshalb das Problem durch Abriss lösen, wogegen die Vertreter der Denkmalpflege Einspruch erhoben. Das führte bei den Entscheidungsträgern zu dem Befund, dass der Kernbau durchaus noch erhaltensfähig sei.2

Da kein Geld zur Verfügung stand und sämtliche Baubetriebe für das Zusatzwohnprogramm beansprucht waren, passierte dann über zehn Jahre nichts.

1963 standen endlich Gelder für eine Sanierung bereit, mit 60.000 DM allerdings gering bemessen. Zwischen 1964 und 1965 erfolgte deshalb eine weitgehende Erneuerung der Giebelseiten, eine Ertüchtigung des Dachstuhls und eine Neuverputzung der Fassade, wobei glücklicherweise der bauzeitliche Putz darunter verblieb.

Das entscheidende Problem, und zwar die völlig unzulängliche Gründung des Bauwerks, ist aber nicht beseitigt worden. Stattdessen wurde, wohl in der Annahme, die Standsicherheitsprobleme des Wasserschlosses so preisgünstig zu lösen, der umgebende Wassergraben zugeschüttet, was - wie die Folgejahre zeigen sollten - ein Trugschluss war.

Schon 1979 schlug Serafim Polenz, Chefkonservator des Instituts für Denkmalpflege in Schwerin, wegen des sich rapide verschlechternden Bauzustands wieder Alarm.3

Es brauchte abermals über ein Jahrzehnt, bis der Kraftakt gelang, eine weitere Sicherungs- und Sanierungskampagne zuwege zu bringen. Die Voraussetzungen waren weiterhin schwierig: Eigentümerin war die kleine Gemeinde Groß Polzin/Quilow. Eine Nutzungsidee, geschweige denn ein geeigneter Kaufinteressent und somit eine gesicherte Finanzierung waren nicht vorhanden. Hilfsweise mussten Jahr für Jahr in Abhängigkeit der begrenzten Eigenmittel der Gemeinde Fördermittelanträge gestellt werden. Eine Bewilligung war stets unsicher und Planungssicherheit bestand folglich nicht.

Die zweite Sanierungskampagne startete 1993 mit einer umfassenden Analyse des Baugrunds und des Bauwerks, dazu restauratorischen und bauhistorischen Untersuchungen. Außer der schon bekannten katastrophalen Gründung wurde als Hauptursache für die akute Einsturzgefahr eine völlig unzureichende vertikale Lastabtragung ermittelt, die vor allem die Keller- und Erdgeschossgewölbe sowie die Außenwände stark überlastete.

Folglich war das Ziel, die Standsicherheit und Tragfunktion des Bauwerks unter größtmöglichem Substanzerhalt herzustellen. Insofern sah das statische Konzept vor, das historische Außenmauerwerk durch ein neues Tragwerk zu entlasten und daran alle historischen Bauglieder anzuhängen.

Die Bauarbeiten begannen 1994/1995 mit der Verfestigung des Baugrunds im Soilcrete-Verfahren, ein Düsenstrahlverfahren, in dem der Baugrund durch Vermörtelung verbessert wird.

Wegen der schwierigen Finanzierungslage konnten Baumaßnahmen am Gebäude selbst erst drei Jahre später anschließen. Hierbei wurde ein neues Tragwerk, quasi ein Stahlkorsett für das Wasserschloss in dessen Ober- und Dachgeschoss eingebaut, das den Dachstuhl und die bis zu 40 cm durchhängende Holzbalkendecke des Obergeschosses stabilisieren sollte. Zur Aussteifung der Außenwände wurde außerdem ein Stahlbetonringanker in die Mauerkrone eingebaut.

Insgesamt wurden fünf geschossübergreifende Stahlstützenpaare mit Auflagern in Stahlbeton in das Wasserschloss eingebracht, drei davon auf den bauzeitlichen Mittelpfeilern des Erdgeschosses (Abb. 4). Hierauf wurde im zweiten Dachgeschoss ein Stahlüberzug gelegt, der mithilfe von Hängestangen die Lasten der ebenfalls durch Stahlträger stabilisierten Holzbalkendecke des Obergeschosses aufnahm (Abb. 5-6). Die Mittel reichten zunächst nur für das Anhängen eines Deckensegments und die Sicherung des einsturzgefährdeten SW-Zwerchgiebels durch ein innenliegendes Stahlgerüst (Abb. 7-8).

Infolge ausbleibender Fördermittel ruhten die Sanierungsarbeiten am Wasserschloss wieder für über ein Jahr.

Der Neustart gelang im Herbst 1999, wo die dringend erforderlichen Arbeiten im Dach mit der Dachtragwerkssanierung, der Stabilisierung des zweiten Zwerchgiebels und der Anschnürung des aus dem Lot geratenen Turms weitergeführt werden konnten. Dazu begannen erste Befundsicherungen an der Fassade und eine Musterrestaurierung des SW-Zwerchgiebels (Abb. 9).

Trotz alledem war das Gebäude noch immer nicht standsicher, da die Lastabtragung für das Erd- und Kellergeschoss nicht gelöst war. Wegen des zusätzlichen Lasteintrags durch die anstehende Dacheindeckung forderte der Prüfstatiker jedoch, vorab die beiden Geschosse statisch grundzusichern.

Da erheblicher Zeitdruck bestand und das Geld fehlte, fiel die Entscheidung zugunsten einer provisorischen statischen Sicherung des Erd- und Kellergeschosses, die auch die Denkmalpflege notgedrungen mittrug. Nach der erforderlichen Freigabe durch den Prüfstatiker - mittlerweile war es 2002 - wurden also temporäre Gewölbestützkonstruktionen eingebaut und im Erdgeschoss auf Schulterhöhe noch Zuganker zur Längs- und Queraussteifung des Gebäudes gezogen, die mit außen anliegenden Stahlträgern verspannt wurden (Abb. 10-11).

Aufgrund der fehlenden Finanzierung ruhte das Bauvorhaben nun wieder für Jahre. Auch dürfte die brachial wirkende Notsicherung die Verkaufsbemühungen weiter erschwert haben.

2005 eröffnete sich endlich eine Perspektive. Die Stiftung Kulturerbe im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern bekundete für das Wasserschloss Kaufinteresse, deren Stiftungszweck die Pflege und der Erhalt des kulturellen Erbes ebendort ist. 2007 erfolgte der Verkauf und Quilow wurde das Leuchtturmprojekt der Stiftung, die nun aktiv nach geeigneten Nutzern unter der Maßgabe suchte, eine öffentliche, die Region voranbringende Nutzung einzubringen und dabei eine hohe Denkmalverträglichkeit zu gewährleisten. 2011 fand die Stiftung den passenden Betreiber.

Für die praktische Umsetzung der Nutzungsabsicht wurde ein Förderverein gegründet, der das Nutzungskonzept im Detail ausarbeitete und zugleich als Bauherr und Projektleiter fungierte.

Das Nutzungskonzept sah und sieht vor, das Wasserschloss als touristische Basisstation mit Café und dazu Tagungs-, Proben-, Veranstaltungs- und Ausstellungsort quasi als kulturelles und touristisches Zentrum für die Region zu nutzen.

Weil das Wasserschloss auch selbst ein Exponat sein sollte, wurde bei der Maßnahmeplanung und -umsetzung, die die Stiftung mit eigener Kompetenz unterstützte, neben der möglichst sensiblen statischen Sanierung ein vorrangig konservierender Ansatz verfolgt. Die wechselvolle Nutzungs- und Instandsetzungsgeschichte sollte auch nach der Sanierung und Restaurierung erlebbar sein.

Außerdem unterstützte die Stiftung den Förderverein aktiv bei der Sensibilisierung der Politik für die Bedeutung des Wasserschlosses und des Projekts für Mecklenburg-Vorpommern, was nicht zuletzt bei der Fördermitteleinwerbung hilfreich war.

Das ambitionierte Vorhaben bedurfte intensiver Vorarbeit und größter Erfahrung im Bereich des Bauens und der Denkmalpflege.

Zunächst mussten sämtliche bisher durchgeführten statisch bedingten Maßnahmen recherchiert und durch stichprobenartige Erkundungen nachvollzogen und verifiziert werden. Dabei konnte ermittelt werden, dass die Gründungsprobleme durch die Bodenvermörtelung 1995 behoben worden waren. Auch die statische Sicherung des Dachstuhls, der Decke über dem Obergeschoss und der Zwerchhäuser funktionierte. Demgegenüber war die Herstellung der Standfestigkeit der Außenmauern und Gewölbe im Erd- und Kellergeschoss weiter ungelöst.

Wesentliches Sanierungsziel war es deshalb, die unsensibel eingebrachte Sicherungskonstruktionen zurückzubauen. Außerdem sollte der große Stahlüberzug im Dachgeschoss ausgebaut und durch eine schlankere Konstruktion ersetzt werden. Hierfür war die Umlastung auf das Außenmauerwerk Voraussetzung, also die Wiederannäherung des statischen Systems an das bauzeitliche.

In Abstimmung mit der Landesdenkmalpflege wurden im Zuge der Sanierungsplanung außerdem noch nachfolgende Prämissen definiert:

  • Jüngste Eingriffe der Vergangenheit wie das stützende Stahlkorsett sollen nicht versteckt, sondern als selbstverständlicher Teil der Sanierungs- und Restaurierungsgeschichte gezeigt werden.
  • Für die Bearbeitung der äußeren Hülle soll die um 2000 in der Musterfläche des SO-Zwerchhauses angelegte Sanierungs- und Restaurierungsstrategie weitergeführt werden.
  • Ästhetische Erwägungen oder fehlende restauratorische Befunde geben nicht den Ausschlag für die Entfernung eines Bauteils. Stattdessen ist bei der Entscheidung die Aussage im baulichen Gesamtzusammenhang ausschlaggebend.
  • Der als zweiter Rettungsweg erforderliche neue Treppenturm soll als zeitgenössische Zutat erkennbar sein, darf das Denkmal aber nicht dominieren. Seine Einbindung in das Gebäude kann nur in Bereichen erfolgen, die durch frühere Eingriffe bereits gestört sind.

Nach einem komplexen Planungsprozess konnte der Bauantrag 2016 schließlich gestellt werden. Kurz vor diesem ersten Etappenziel sorgte die Nachricht für große Aufregung, dass für das Wasserschloss keine Baugenehmigung erteilt würde, weil der Abstand zum Wald nicht ausreichend sei. Zum Glück konnte in relativ kurzer Zeit die erforderliche Waldumwandlung durchgeführt und 2017 die Baugenehmigung erteilt werden.

Die Baumaßnahmen begannen im Herbst des Jahres.

Priorität hatten zunächst die Sicherungsarbeiten zur Stabilisierung der Außenwände vom Erd- und Kellergeschoss, wozu das Herstellen der Kraftschlüssigkeit des Mauerwerks, also die Risssanierung, die Sanierung der Fensterstürze und Instandsetzung der Gewölbeanschlüsse zählten. Die weiterhin erforderliche Sicherungskonstruktion mit Zugankern für die Aufnahme des Gewölbeschubs wurde statt auf Schulterhöhe nun auf die Fußbodenebene oberhalb der Gewölbe verlegt und die Gewölbe mittels Kopfplatten abgefangen (Abb. 12). Der große Stahlüberzug und die drei auf den bauzeitlichen Pfeilern im Erdgeschoss aufsitzenden Stahlstützenpaare wurden rückgebaut und stattdessen durch fünf auf dem Außenmauerwerk aufliegende Stahlrahmen im Dachgeschoss ersetzt (Abb. 13).

Die Fassade und die Innenräume wurden vorbildlich saniert und restauriert (Abb. 14). Große Teile der Putz- und Fassungsbefunde sind nur konserviert und besondere Befunde in archäologische Fenster eingebettet worden. Baufeste Ausstattung wie Fenster, Türen und Bodenbeläge unterschiedlicher Bauzeiten wurden aufgearbeitet (Abb. 15-17). Der Einbau nur weniger Leichtbauwände, so im Sanitärbereich, war aus nutzungstechnischen Gründen nötig.

2020 eröffnete das Wasserschloss nach dreijähriger Bauzeit. Die vorbildliche denkmalgerechte Sanierung und Restaurierung wurde außer vom Land Mecklenburg-Vorpommern als Hauptfördermittelgeber auch vom Bund, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und zahlreichen privaten Spendern unterstützt.

Von Beginn an widmete sich der Betreiber mit großem persönlichem Einsatz der Wiederbelebung des Anwesens. Sein Ziel, das Wasserschloss zu einem Anlaufpunkt für Einheimische, Urlauber, Tagesgäste und touristische Dienstleister zu machen, dazu im Schloss Ausstellungen, Workshops und Lesungen durchzuführen und ein kleines Ausflugslokal im Erdgeschoss zu betreiben, hat er erreicht.

Seine Mühen und das Engagement aller Beteiligten wurde dazu 2022 mit dem ersten Preis des Bundespreises im Handwerk in der Denkmalpflege belohnt.

Annette Krug


1 LAKD M-V/LD, Objektakte Wasserschloss Quilow, Mappe 01, 13.05.1950 – 24.07.1979, Besichtigungsprotokoll des Vertrauensmanns für Denkmalpflege des Kreises Greifswald, Herr Schumacher, vom 03.12.1950.

2 LAKD M-V/LD, Objektakte Wasserschloss Quilow, Mappe 01, 13.05.1950 – 24.07.1979, Durchschrift eines Schreibens der Landesregierung Mecklenburg, Ministerium für Wirtschaft und Aufbau, Hauptabteilung Aufbau an den Rat des Kreises Greifswald, Abt. Aufbau vom 28.11.1951 und Schreiben der Landesregierung Mecklenburg, Ministerium für Wirtschaft und Aufbau, Hauptabteilung Aufbau an das Landesamt für Denkmalpflege in Schwerin vom 14.02.1952.

3 LAKD M-V/LD, Objektakte Wasserschloss Quilow, Mappe 01, Aktennotiz von S. Polenz vom 24.07.1979

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