Sie sind wieder da! Der Teepavillon des Schweriner Schlosses hat seinen Skulpturenschmuck zurückerhalten

Denkmal des Monats Oktober 2020

Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Teepavillon, Eingangsbereich, 2020.Details anzeigen
Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Teepavillon, Eingangsbereich, 2020.

Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Teepavillon, Eingangsbereich, 2020.

Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Teepavillon, Eingangsbereich, 2020.

Am Freitag, dem 4. September 2020 war es endlich soweit. Die vier Sandsteinskulpturen des Teepavillons auf der Nordbastion des Schweriner Schlosses wurden auf ihre lange verwaisten Sockel am Treppenaufgang gestellt. Allerdings sind es nicht die originalen Bildwerke, sondern drei Kopien und eine rekonstruierte Skulptur (Abb. 1).

Dargestellt sind vier kleinere Kinder, in der Kunstgeschichte als Putti bezeichnet, die die vier Jahreszeiten verkörpern. Sie stammen von der Hand des Elfenbeinschnitzers Johann Christian Ludwig Lücke, der auch als Bildhauer arbeitete. 1742 waren sie fertiggestellt und wurden von ihm geliefert.

Den wohl um 1705 vermutlich in Dresden geborenen und 1780 in Danzig verstorbenen Künstler beeinflussten die Auffassungen des augustäischen Spätbarocks. Nach einem neunmonatigen Intermezzo als Modelleur an der Meißner Porzellanmanufaktur wirkte er 1729 und in den folgenden Jahren als Elfenbeinschnitzer und Bildhauer in Dresden. 1733 und 1736 bewarb er sich um die Nachfolge des sächsischen Hofbildhauers Balthasar Permoser, jedoch blieben seine Bemühungen jedes Mal erfolglos. Nichtsdestotrotz bekam er Aufträge aus höchsten Kreisen, eben auch aus Mecklenburg von Herzog Christian Ludwig II. Oft hielt sich Lücke für mehrere Jahre in Metropolen Nordwesteuropas auf. Immer wieder war er in Hamburg, London und Amsterdam anzutreffen. Die hier gewonnenen Eindrücke beeinflussten sein vielseitiges Schaffen ebenfalls.

Für das Lusthaus auf der Nordbastion, welches in der Mitte des 19. Jahrhunderts überformt und als Teepavillon bezeichnet wurde, können Ausführungsarbeiten für das Jahr 1741 nachgewiesen werden. Ein anonymer Entwurf zeigt bereits vier Skulpturen an der Freitreppe, ebenfalls personifizierte Darstellungen der Jahreszeiten, wie an Haltung und Attributen zu erkennen ist. Es sind jedoch keine Putti, wie später ausgeführt (Abb. 2).

Der Künstler verstand es, seine Figuren genau zu charakterisieren und ihnen mittels feinster Physiognomien eine starke Ausdruckskraft zu verleihen. Diesen Umstand belegen auch die vier Skulpturen am Teepavillon. Den Dargestellten, zwei Mädchen und zwei Knaben, ist kindliche Unbekümmertheit und mitunter auch eine liebevolle Naivität auf den Leib geschrieben. Das Mädchen mit einer prächtig dekorierten Haube, das den Frühling verkörpert, hebt den Rock seines ebenfalls prachtvollen Kleides an und blickt versonnen auf die darin gesammelten Blüten (Abb. 3). Der Sommer, ein etwas pummeliger Knabe, hat sich an einen Baumstumpf gelehnt und ist in der Sommerwärme eingeschlafen. Gerundete Wangen und die Stellung der Lippen lassen ebenso wie die geschlossenen Augen einen ruhigen Schlaf vermuten. Ein Schaf, das sich zu seinen Füßen niedergelassen hat, lässt an eine Herde denken, die nun unbeaufsichtigt ist (Abb. 4). Pausbäckig und mollig kommt ein weiterer Knabe daher. Er beißt lustvoll in eine Traube, die er aus dem hinter ihm stehenden Eimer genommen hat und gibt sich damit als Personifikation des Herbstes zu erkennen (Abb. 5). Besonders bitter ergeht es dem Mädchen als Allegorie des Winters. Das modisch und sehr aufwendig gekleidete Kind hebt hinten seinen Rock, um sich an einem Feuer zu wärmen, doch hat es die Hitze der Flammen unterschätzt. Das vor Schmerzen verzerrte Gesicht spricht Bände und man meint, den Schrei des Kindes deutlich hören zu können (Abb. 6). Alle vier Skulpturen können kleine Geschichten erzählen und dienten auch zur Anregung der Konversation unter ihren Betrachtern. Sie sind von hervorragender künstlerischer Qualität.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss für unterschiedlichste Zwecke genutzt. Das in den 1920er Jahren entstandene Schlossmuseum musste seine Bestände räumen, weil die Museumräume für andere Verwendungen vorgesehen waren. Landeskonservator Paul Viering beobachtete das Geschehen im Schloss mit großer Sorge und schrieb im April 1947 nach einer Begehung des Gebäudes an das Ministerium für Volksbildung, Abt. Volkskultur: „[…] Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß es unbedingt erforderlich erscheint, daß das Schloß gegen das Betreten Unbefugter abgeschlossen bzw. in den Räumen eine ständige Kontrolle ausgeübt wird. Es ist beobachtet worden, daß eine ganze Anzahl von Leuten, die offensichtlich im Schloß nichts zu tun hatten, dort herumlungerten. Wenn auch an beweglichen Gegenständen nicht mehr viel vorhanden ist, so muß das, was noch da ist, wenigstens vor den Eingriffen Unbefugter geschützt werden.“ (LAKD M-V/LD, Objektakte Schwerin, Schloß, allgemein, Mappe 01)

Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass es noch viel schlimmer kommen könnte und sogar unbewegliches Kunstgut gefährdet war. Schon wenige Tage später musste er dem Ministerium melden, dass eine Supraporte, ein über einer Tür in der kleinen Audienz des Schlosses fest verankertes Ölgemälde gestohlen worden war. „[…] Ferner ist eine der vier kleinen Sandsteinfiguren (Putten) vor dem Teepavillon auf der Nordbastion entwendet. Es handelt sich um die Darstellung der 4 Jahreszeiten aus dem Jahre 1742 von dem Dresdener Bildhauer Christian Ludwig Lücke, offenbar durch die berühmten Skulpturen des Dresdner Zwingers beeinflußt. Der Diebstahl soll am Sonntag, den 20. April d. Js. erfolgt sein; Der Dieb muß nach der Auswahl der gestohlenen Objekte ein Mann mit gewissem Kunstverständnis und genauen Lokalverhältnissen gewesen sein. […]“ (LAKD M-V/LD, Objektakte Schwerin, Schloß, allgemein, Mappe 01)

Seit diesem Zeitpunkt ist das sich am Feuer wärmende Mädchen verschollen. Die übrigen drei Figuren wurden später geborgen, im Keller des Schlosses eingelagert, dann aber in den Museumsrundgang aufgenommen, wo sie in der Aufwartung zur Wohnung des Großherzogs im 3. Obergeschoss stehen (Abb. 7). Der Teepavillon musste nun ohne seinen Skulpturenschmuck auskommen (Abb. 8-9).

Im Zuge der Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten am Teepavillon wurden nun auch die zugehörigen Skulpturen wiederhergestellt. Nach den vorhandenen drei Originalskulpturen fertigten Bildhauer der Bauhütte Quedlinburg erstklassige Kopien an (Abb. 10). Die Figur des Winters rekonstruierte der in Braunschweig ansässige Bildhauer Magnus Kleine-Tebbe. Die rekonstruierende Formentwicklung der verschollenen Skulptur war eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, zu der nur wenige Bildhauer in der Lage sind, zumal als Vorlage nur ein Foto aus den 1920er Jahren existierte, das alle vier Figuren zeigt (Abb. 11). Aus diesem Foto mussten außer der Grundform und Körperhaltung auch alle Details des Gesichts, der Kleidung usw. entwickelt werden.

Um zu einem überzeugenden Ergebnis zu gelangen, entstanden mehrere Bozetti, Ton- und Gipsmodelle, an denen immer wieder verändert und korrigiert wurde (Abb. 12). Mehrere Werkstattbesuche dienten dazu, Einzelaspekte zu besprechen und an den Modellen umzusetzen, zu prüfen und zu bewerten. In die Arbeit des Bildhauers flossen kunsthistorische Recherchen ein, beispielsweise zur Kleidung im Barock. Gemeinsam tasteten sich eine Architektin, ein Kunsthistoriker, ein Restaurator und der Bildhauer Stück für Stück an die Neuschöpfung der Skulptur heran. Das Ergebnis überzeugt. Magnus Kleine-Tebbe hat diese nicht alltägliche und mit besonderen Schwierigkeitsgraden versehene Aufgabe gut bewältigt (Abb. 13).

Nun stehen die vier Kinderfiguren erneut auf ihren Sockeln, der Skulpturenschmuck des Pavillons ist wieder komplett (Abb. 14). Für die drei Originalskulpturen ist eine Restaurierung vorgesehen, nach der sie dann in museale Obhut zurückkehren werden.

Dirk Handorf

Literatur:

Beate Becher, Stichwort Lücke. In: Neue Deutsche Biographie, Band 15, Berlin 1987, S. 448-449.

Ralf Weingart, Vom Wendenwall zur Barockresidenz. In: Staatliches Museum Schwerin (Hrsg.), Schloss Schwerin. Inszenierte Geschichte in Mecklenburg, München, Berlin 2009, S. 50-51.

Karte: Schloss Schwerin

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