Vom Fischereischuppen zum Klubhaus - ein Zeugnis der DDR-Erholungskultur am Specker Hofsee

Denkmal des Monats Juli 2022

Abb. 1. Speck, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte,  Anlage der ehemaligen Fischerei von Norden, Speck, Am Hofsee, 2020.Details anzeigen
Abb. 1. Speck, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte,  Anlage der ehemaligen Fischerei von Norden, Speck, Am Hofsee, 2020.

Abb. 1. Speck, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Anlage der ehemaligen Fischerei von Norden, Speck, Am Hofsee, 2020.

Abb. 1. Speck, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Anlage der ehemaligen Fischerei von Norden, Speck, Am Hofsee, 2020.

Ein ungewöhnliches Zeugnis der DDR-Geschichte wurde unlängst am Ufer eines kleinen Sees im Müritz-Nationalpark entdeckt. Der zwischen Waren und Neustrelitz gelegene Hofsee gehört zu mehreren östlich der Müritz gelegenen kleineren Seen innerhalb des Müritz-Nationalparks, des größten Naturschutzgebietes in Deutschland. Am Nordufer des Hofsees befinden sich einige kleine Baulichkeiten, die einst zur Fischerei des benachbarten Dorfes Speck gehörten (Abb. 1-5). Eines der Gebäude, ein holzverschalter, mit Rohr gedeckter Bau, erzählt eine erstaunliche Geschichte.

Anlass, sich näher mit dem Haus und seiner Geschichte zu beschäftigen, gab die eigenartige Gestaltung des Bauwerks. Das Erscheinungsbild des Äußeren wie Inneren passte ganz und gar nicht zu einem schlichten Fischereischuppen, einem Zweckbau, der weit entfernt von öffentlichen Wegen und Publikumsverkehr lag – versteckt zwischen Bäumen, Wiesen und Schilf. Bekannt war lediglich, dass der Bau lange Zeit zur örtlichen Pachtfischerei gehörte und ab 1970 im Hoheitsgebiet der DDR-Staatsjagd lag.

Das heutige Erscheinungsbild des Gebäudes ist einer eingreifenden Umgestaltungsphase geschuldet. Der Fischereischuppen wurde ab März 1974 von der Inspektion Staatsjagd (ISJ) zu einem Klubhaus für gesellige Zusammenkünfte der Belegschaft umgebaut und dabei einheitlich neu gestaltet. Diese Gestaltungsphase prägt das Bauwerk bis heute.

Ausgangspunkt beziehungsweise Vorgängerbau war ein kleiner, traufständig zum Ufer erbauter holzverkleideter Fischereischuppen mit rohrgedecktem Satteldach, der im späten 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut worden war. Teile von ihm sind mutmaßlich im Kern des heutigen Gebäudes noch enthalten. Auf einem historischen Foto um 1935 ist der Schuppen erstmals abgebildet (Abb. 13). Ein anderes Foto um 1960 zeigt den Schuppen geringfügig vergrößert (Abb. 14).

Vor Übernahme der Staatsjagd war das Gebiet seit 1949 ein Wildforschungs- und Naturschutzgebiet "Ostufer der Müritz", das vom Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb verwaltet wurde. Im Jahr 1970 erklärte der beim Ministerrat der DDR unterstellte Rat für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft dieses Gebiet zum Staatsjagdgebiet "Ostufer der Müritz". Von diesem Zeitpunkt an oblag die Verwaltung und Bewirtschaftung des Gebietes der Inspektion Staatsjagd, und die Befischung der Seen wurde den jagdlichen Aktivitäten untergeordnet. Im Jahr 1971 verlegte Willi Stoph, Vorsitzender des Ministerrates der DDR, sein Jagdrevier von der Schorfheide an die Müritz und ließ sich einen persönlichen Jagd-, und Landsitz "Birkenheide" am Westufer des Specker Sees erbauen, den er bis zum Ende der DDR beibehielt. Die Fischerei am Hofsee wurde damals vom ortsansässigen Fischer Fritz Janzen bewirtschaftet, der mit Übernahme der ISJ seine Pachtlizenz abtreten musste und fortan als angestellter Fischer der ISJ für die Bewirtschaftung der Seen zuständig blieb.

Bei dem heute überlieferten Gebäude handelt es sich um einen eingeschossigen, holzverschalten Fachwerkbau, bestehend aus zwei länglichen, rechtwinklig aneinandergefügten Baukörpern oder Flügeln, die jeweils mit einem rohrgedeckten Satteldach bedeckt sind. Am Schnittpunkt der beiden Flügel ragt ein kurzer, gemauerter Schornstein auf. Die Flügel rahmen eine sich zum Ufer hin öffnende Terrasse, die mit Kunststeinplatten belegt ist. Der sockellose Bau ist einheitlich mit senkrecht angeordneten, dunklen Holzbrettern in Boden-Deckel-Schalung verkleidet. Alle Gliederungselemente wie Türen, Fenster, Giebelluken und Frontblenden der Satteldächer sind in einem kräftigen Grünton gestrichen und heben sich farblich vom dunklen Holzton der Fassaden ab. Zu weiteren gestalterischen Besonderheiten zählen die beiden im Fischgrätmuster verblendeten hölzernen Eingangstüren, eine im Ost- und eine im Westflügel. Die Tür im Ostflügel besitzt sogar kunstvoll geschmiedete Bänder und Stützkloben (Abb. 9). Besonders ungewöhnlich sind die Fenster gestaltet: An den zum Land orientierten Seiten erfolgt die Belichtung durch drei Rundfenster, auch Ochsenaugen genannt, die mit einer kranzförmigen Schmuckrahmung versehen sind. Die Rahmung besteht aus größeren und kleineren trapezförmigen Brettern, die im Wechsel angeordnet sind (Abb. 7, 9).

Im Ostflügel, den man an der Giebelseite betritt, befindet sich ein einziger Raum, an dessen westlicher, verputzter Stirnwand ein mächtiger, mit glasierten Klinkern verblendeter Kamin steht (Abb. 10-11). Der schmucklose, kubische Kamin nimmt fast die ganze Wand ein und wird von flachen Klinker-Podesten flankiert. Die übrigen Wände und die Decke sind vollständig mit einer stark gemaserten Holzvertäfelung verschalt, die am Wand-/Deckenübergang doppelt abknickt. An einigen Wandbereichen fehlt die Vertäfelung, dort ist lediglich die Unterkonstruktion erhalten. Auch der Fußbodenbelag fehlt und nur der Unterboden, ein Estrich, ist erhalten. Es ist anzunehmen, dass es sich um einen PVC-Belag gehandelt hat, der zu dieser Zeit typisch war. Der Westflügel besitzt zwei Räume, die Küche und einen länglichen Nebenraum. Die Wände und Decken dieser Räume sind analog zum Ostflügel mit einer am Deckenübergang geknickten Verschalung versehen, hier bestehen sie jedoch aus geweißten Trockenbauplatten. In der Küche haben sich die originalen Fliesenbeläge der 1970er Jahre am Fußboden und an den Wänden erhalten sowie einzelne mobile Ausstattungsstücke wie beispielsweise Fischkopf-Trophäen (Abb. 12), Angelbretter oder Schrifttafeln.

Zu den prägenden Bestandteilen der Anlage gehören des Weiteren ein hölzerner Steg mit Bootsanlegestelle und Fischhälterkasten südlich des Hauses (Abb. 4) sowie ein offener Unterstand mit Rohrdach nördlich des Hauses, der als Trockenlager für die zum Reusenbau verwendeten Baumstämme diente (Abb. 3).

Der Fischereischuppen besitzt durch den 1974 erfolgten Um- und Ausbau zum "Klubhaus"1 für die Belegschaft der Inspektion Staatsjagd einen Dokumentationswert für die Geschichte der DDR. Im Januar 1974 legte Otto Pilz, Leiter des Staatsjagdgebietes "Müritz", im Jahresarbeitsplan für 1974 fest, dass der Fischereischuppen am Hofsee zu einer Freizeit- und Erholungsstätte für die Mitarbeiter der Inspektion Staatsjagd um- und auszubauen sei: "Zur Entwicklung eines regen kulturellen Lebens in der Brigade und zur Erholung an den Wochenenden ist der Fischerschuppen so herzurichten, daß die Brigadeabende, Wettangeln, Skatabende und Leistungsvergleiche durchgeführt werden können."2

Der ehemalige Fischerschuppen ist aufgrund seiner 1974 erfolgten Umgestaltung zum Klubhaus für die Mitarbeiter der Inspektion Staatsjagd aus geschichtlichen Gründen bedeutend. Diese Gestaltungsphase prägt das Erscheinungsbild des Inneren und Äußeren bis heute und blieb der Schlichtheit verpflichtet. Unter Verwendung einfacher Materialien der regionaltypischen ländlichen Bautradition wurden bestimmte architektonische Gestaltungsmerkmale aus der Fischerei und Schifffahrt aufgegriffen und versatzstückartig am Gebäude appliziert. Sie bewirken den besonderen Charakter des Gebäudes. Zu diesen prägenden Kennzeichen zählen beispielsweise die Boden-Deckel-Holzverschalung der Fassaden, die Eingangstüren mit Fischgrätmuster oder die kajütenartig anmutende Auskleidung des Gesellschaftsraumes. Die Rundfenster erinnern an Bullaugen bei Schiffen und geben dem Bau – vor allem wegen der markanten Rahmung – ein recht ungewöhnliches Gepräge. Bullaugen als seemännisches Berufssymbol und die farbige Betonung einzelner Gliederungselemente findet man beispielsweise an Schifferhäusern. Wie auf historischen Fotos erkennbar, waren die Tür- und Fensterrahmen sowie Dachluken bis in die 1990er Jahre weiß gestrichen. Daher kann man davon ausgehen, dass eine starke farbige Kontrastierung gestalterische Absicht war und zur Umbauphase von 1974 gehörte. Die Bullaugengestaltung sowie farbigen Akzente verleihen dem Gebäude eine spielerische Note und unterstreichen den Zweck, für den es geschaffen wurde: einer der Erholung dienenden Freizeitarchitektur.

Das Gebäude befindet sich in einem guten Überlieferungszustand und besitzt einen hohen Dokumentationswert für die Entwicklungsgeschichte des Ortes. Das Bauwerk veranschaulicht die geschichtliche Entwicklung und geänderten Nutzungsansprüche vom Fischereischuppen zum Klubhaus der Brigade der Inspektion Staatsjagd. Es handelt sich außerdem um ein seltenes Zeugnis der DDR-Staatsjagdgeschichte – vergleichbare Beispiele sind bisher nicht bekannt. Es ist das einzige erhaltene bauliche Zeugnis im heutigen Müritz-Nationalpark, das von der Zeit der Inspektion Staatsjagd erzählt und den Gestaltungswillen jener Zeit verdeutlicht. Im Zusammenhang mit den noch erhaltenen zugehörenden Außenanlagen – der Terrasse am Haus, dem Bootssteg mit Fischereianlagen, dem offenen Unterstand sowie den umgebenden Freiflächen – vermittelt das Klubhaus einen bildhaften Eindruck von der Nutzung als gesellschaftliche Einrichtung der DDR-Staatsjagdbrigade. Das Klubhaus und seine Anlagen besitzen aus den genannten Gründen einen hohen Zeugniswert für die Geschichte der DDR. An der Erhaltung und sinnvollen Nutzung der ehemaligen Erholungs- und Freizeitstätte der Inspektion Staatsjagd besteht aus geschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse.

Dr. Tanja Seeböck


1 Ein Klubhaus war zu DDR-Zeiten eine feststehende Bezeichnung für ein gesellschaftliches Gebäude, das kulturellen Aktivitäten, der Bildung und Freizeitgestaltung diente und meist von Betrieben für ihre Belegschaft, vom Kreis oder der Stadt eingerichtet wurde – etwa gleichbedeutend mit den meist erheblich größerer dimensionierten Kulturhäusern und Mehrzweckhallen.

2 Zitiert nach: Akten des Bundesarchives, DK 1/26366, Jahresarbeitsplan des Staatsjagdgebietes Müritz für 1974, aufgestellt am 09.01.1974, S. 9.

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