Das immaterielle Denkmal - Die Burg in Warin

Denkmal des Monats September 2022

Ein Beitrag zur Geschichte der Denkmalinventarisation

Abb. 1. Lage der Burg in Warin (im Kreis). Wiebekingsche Karte um 1785, Detail.Details anzeigen
Abb. 1. Lage der Burg in Warin (im Kreis). Wiebekingsche Karte um 1785, Detail.

Abb. 1. Lage der Burg in Warin (im Kreis). Wiebekingsche Karte um 1785, Detail.

Abb. 1. Lage der Burg in Warin (im Kreis). Wiebekingsche Karte um 1785, Detail.

Für meinen Mentor Dr. h.c. Josef Traeger

Am nördlichen Ufer des Glammsees in Warin (Lkr. Nordwestmecklenburg) stand bis zum 19. Jahrhundert eine mittelalterliche Burg, die Nebenresidenz der Schweriner Bischöfe. In den Jahren 1838/39 wurde sie abgebrochen, um einem klassizistischen Bauwerk Platz zu machen, welches die Verwaltung des Großherzoglichen Amtes beherbergen sollte. Bis auf einige Reste der Umwallung blieb von ihrer Substanz so gut wie nichts übrig. Die vor dem Abbruch erfolgte Bauwerkserfassung gehört jedoch zum Beginn der Denkmalinventarisation in Mecklenburg.

Zur Geschichte: 1284 wird die Burg als im Bau befindlich erwähnt. Sie hatte eine strategisch günstige Lage. Im Westen war die Anlage durch den Mühlenbach, einen Flusslauf, der den Wariner See mit dem Glammsee verbindet, und ein Sumpfgebiet geschützt, im Süden lag der Glammsee und auch die östliche Flanke deckte ein Ausläufer des Sees. Im Norden lag die Stadt, die ihrerseits wiederum zeitweise Wall, Graben und drei Tore besaß (Abb. 1).

Bischof Hermann I. von Schladen (1263-1291) gilt als erster Bauherr der Burg, die später unter dem Episkopat Bischof Friedrichs II. von Bülow (1366-1375) im 3. Viertel des 14. Jahrhunderts und von Bischof Nikolaus I. Böddeker (1444-1457) in der Mitte des 15. Jahrhunderts weiter ausgebaut wurde. Bis zu dieser Zeit war eine zwar kleine aber dennoch wehrhafte Burganlage entstanden (Abb. 2).

Nach der Reformation verlor die Burg an Bedeutung. Administratoren, die aus dem mecklenburgischen und dem dänischen Fürstenhaus kamen, verwalteten nun das evangelische Bistum Schwerin, welches jedoch seine Reichsunmittelbarkeit behielt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg ging das Stiftsland im Herzogtum Mecklenburg auf, die Burg wurde zum Amtshaus der neu gebildeten Ämter Warin, Tempzin und Sternberg, die man von dort aus verwaltete. 1838 entschloss man sich zum vollständigen Abbruch der Gebäude. Torhaus, Zwinger, Schildmauer und Bergfried waren bereits vorher abgebrochen worden. Bevor man jedoch zum weiteren Abbruch schritt, unterzog man die Burg einer für das frühe 19. Jahrhundert bemerkenswerten Bauwerksdokumentation.

Zurückzuführen ist diese Initiative auf Georg Christian Friedrich Lisch. Er gehört zweifellos zu den bedeutenden Gelehrten seiner Zeit, in der in verstärktem Maße die Aneignung der Geschichte und ihrer Denkmäler durch Künstler, Wissenschaftler und Forscher begann. Die Geschichtswissenschaften wurden begründet. Das Studium der überkommenen Bauwerke führte unter anderem zum Historismus in der Architektur. Auch die Denkmalpflege hat hier ihre Wurzeln.

Lisch, der zeitweise auch Konservator der Geschichts- und Kunstdenkmäler in den Domänen war, erkannte frühzeitig die landesgeschichtlich große Bedeutung der Burg und ihren bauhistorischen Wert. In den Jahren 1838 und 1839, also kurz vor und während des Abbruches der Gebäude, fertigte er beschreibende Dokumentationen an. Der Maler Krug sowie auch Hofmaler Schumacher überlieferten durch ihre Zeichnungen bildliche Dokumente vom Aussehen der Burg zu dieser Zeit (Abb. 3).

Seine Darstellungen, die Lisch in den Jahresberichten des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde im 3. und 4. Jahrgang der gleichnamigen Jahrbücher einer interessierten Leserschaft zugänglich machte, beginnen mit der Beschreibung der Lage und Anlage der Burg. Es folgt eine Beschreibung der einzelnen Gebäudeteile. Dabei stellt Lisch teilweise Vergleiche mit anderen mittelalterlichen Burgen an.

Weiterhin werden neben verschiedenen Baudetails, der inneren Raumaufteilung und maßgeblichen Nutzung der Räume in der Burg auch Ausstattungsverzeichnisse aus den schriftlichen Quellen zitiert. Auf Analogien zu vorgefundenen Wappenziegeln derer von Bülow und von Böddeker, deren Darstellungen, Abmessungen, Glasuren usw. weist Lisch ebenfalls hin.

Die Mitteilungen in den Mecklenburgischen Jahrbüchern über die Wariner Burg gehen weit über die zu dieser Zeit noch üblichen Beschreibungen hinaus. Möglichst genau versuchte Lisch das Bauwerk zu erfassen. Dabei spielte der Zeitfaktor sicherlich keine unerhebliche Rolle, denn schließlich sollte nach erfolgtem Abbruch der Burg das Gelände neu bebaut werden.

Welch große Bedeutung er dieser Burg beimaß, widerspiegelt auch die Tatsache, daß sie im von ihm herausgegebenen Sammelwerk "Meklenburg in Bildern" Berücksichtigung fand, obwohl sie bereits nicht mehr existierte. 1841 erschien das erste Probeheft. Beabsichtigt war die Edition von Bildwerken, "welche alles umfassen soll, was für Mecklenburg von einiger Bedeutung geworden ist" (Neue wöchentliche Rostock’sche Nachrichten und Anzeigen, 31.10.1841). Ziel war die Förderung des Geschichtsbewusstseins und so wurde das Werk auch als ein der Historie verpflichtetes betrachtet.

In diesen Kontext fiel die Wariner Burg. 1845 erschien sie auf dem Titelblatt der Ausgabe (Abb. 4). Als Text war ein kurzer Abriss beigegeben, der über die Bau- und Nutzungsgeschichte informierte. Das von Lisch herausgegebene, in der Tiedemannschen Hof-Steindruckerei zu Rostock hergestellte Werk, welches hauptsächlich bedeutende Bauwerke des Landes, also Bau- und Geschichtsdenkmale im weitesten Sinne vorstellt, kann durchaus als eine der frühesten Denkmaltopographien angesehen werden.

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts rückte das Denkmalinventar in den Vordergrund. Dessen Aufgabe beschrieb der Architekturhistoriker und Konservator Julius Kohte am Ende des 19. Jahrhunderts folgendermaßen: "Die Inventare bilden die Grundlage für eine geordnete Denkmalpflege; sie gewähren den Eigentümern Aufschluss über den Wert der in ihrem Besitz befindlichen Bau- und Kunstwerke; die Aufsichtsbehörden setzen sie in den Stand, diese vor Veränderung oder Veräußerung zu schützen. Nicht hoch genug ist die erziehliche Bedeutung der Inventare anzuschlagen, welche sie dadurch erlangt haben, dass sie in immer weiteren Kreisen der Gebildeten das Interesse für die Vaterländischen Denkmäler erwecken und festigen" (Julius Kohte, Der Stand der Inventarisation im Deutschen Reiche. In: Die Denkmalpflege, 1. Jg. 1899, Nr. 3, S. 24.).

Im Jahre 1896 erschien der erste Band des fünfbändigen Inventares der Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, das von der Kommission zur Erhaltung der Denkmäler unter Leitung von Friedrich Schlie herausgegeben wurde. Eine ausführliche Würdigung erfährt im 1899 erschienenen 3. Band die Bischofsburg Warin, die es zu jenem Zeitpunkt bereits seit 60 Jahren nicht mehr gab (Abb. 5). Für die Darstellung des Bauwerkes griff Schlie auf die Beschreibungen und Bewertungen von Lisch zurück. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Abbruch der Burg in Warin galt sie immer noch als Geschichtsdenkmal, was die Aufnahme in das offizielle Denkmalinventar des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin beweist.

Erneut rückte die Burg in den beginnenden 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in das Blickfeld der Denkmalpflege. Aus dem Jahre 1933 datieren die Rekonstruktionszeichnungen, die Adolf Friedrich Lorenz anfertigte. Lorenz war als Oberregierungs- und Baurat gleichzeitig Denkmalpfleger für Denkmale der geschichtlichen Zeit. Seine Zeichnungen der Burg, Grundriss und sog. Vogelschau, veröffentlichte er mit einem kurzen Beitrag zur Geschichte der Burg in den Mecklenburgischen Monatsheften (Abb. 6-7).

Aufgrund von zu dieser Zeit bestehenden Absichten zur Erweiterung des Wirtschaftshofes der benachbarten Mühle und der damit im Zusammenhang stehenden Befürchtungen, die Reste der einstigen Burgwallanlage könnten verloren gehen, ist Lorenz' Aufsatz quasi auch als Denkmalwertbegründung für diese Anlage zu verstehen, mit der er die Öffentlichkeit suchte, eine Denkmalwertbegründung für ein Denkmal, dessen Bauten es materiell schon lange nicht mehr gab, welches aber dennoch dazu dienen musste, um die besondere geschichtliche Bedeutung dieses Areals zu verdeutlichen, die es galt, wieder in das allgemeine öffentliche Bewusstsein zu bringen. Eine Argumentation nur mit den verbliebenen Resten der Wälle und Gräben reichte ihm offenbar nicht aus. Letztere erhielten denn auch den Status eines Denkmals nach dem damals geltenden Denkmalrecht.

Die heutige Denkmalinventarisation befasst sich ausschließlich mit existierenden Bau- und Kunstwerken, denn nur die überlieferte originale Substanz einer Sache besitzt einen Zeugniswert. Authentizität und Integrität des Denkmals sind wichtige, ja entscheidende Parameter für eine Unterschutzstellung, deren Kriterien das Denkmalschutzgesetz von Mecklenburg-Vorpommern vorgibt. Dabei ist der aktuelle Denkmalbegriff sehr weit gefächert. Das war im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch anders. Es ging um das ideale Denkmal oder um ein Bild dessen, das eine bedeutsame Vergangenheit beschreiben und vermitteln konnte. Man orientierte sich an einem Wertebegriff, der nach den Befreiungskriegen und im Zusammenhang mit dem neu erwachten Nationalbewusstsein entstanden war und vornehmlich die sogenannten "vaterländischen Güter" in den Fokus nahm, selbst wenn sie, wie das Beispiel der Wariner Burg zeigt, als Baudenkmal längst verschwunden waren. In ihrem Gesamtzusammenhang mit ihren charakteristischen Relikten, gekennzeichnet durch den Burghügel mit dem Plateau, den vorgelagerten Graben- und Wallresten und den noch im Boden befindlichen Zeugnissen der bisherigen Nutzung existiert die Burg als Bodendenkmal selbstverständlich fort.

Dirk Handorf

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