Die Karl-Krull-Grundschule in Steinhagen. Ein Schulbau auf dem Land der etwas anderen Art.

Denkmal des Monats Dezember 2020

Abb. 1. Steinhagen, Lkr. Vorpommern-Rügen, Schulstraße 2, Karl-Krull Grundschule, Haupteingangsbereich, Blick von Osten (LAKD M-V, LD, A. Krug, 2020).Details anzeigen
Abb. 1. Steinhagen, Lkr. Vorpommern-Rügen, Schulstraße 2, Karl-Krull Grundschule, Haupteingangsbereich, Blick von Osten (LAKD M-V, LD, A. Krug, 2020).

Abb. 1. Steinhagen, Lkr. Vorpommern-Rügen, Schulstraße 2, Karl-Krull Grundschule, Haupteingangsbereich, Blick von Osten (LAKD M-V, LD, A. Krug, 2020).

Abb. 1. Steinhagen, Lkr. Vorpommern-Rügen, Schulstraße 2, Karl-Krull Grundschule, Haupteingangsbereich, Blick von Osten (LAKD M-V, LD, A. Krug, 2020).

Bei der Karl-Krull Grundschule handelt es sich um einen außergewöhnlichen Schulbau der 1960er Jahre auf dem Land, der nach derzeitigem Kenntnisstand wohl nicht nur für M-V singulär ist (Abb. 1-2).

Der Schulbau wurde 1963/64 in Steinhagen von R. A. Schwanz und H. Berneike errichtet, angeblich als Versuchstypenbau, der ins sozialistische Ausland, so nach Tansania, Vietnam und / oder Nordkorea exportiert werden sollte. Diese These ist bisher nicht bestätigt.

Die Besonderheit des Schulbaus liegt in seiner Bauart im so genannten Pavillonsystem, bei der einzelne Baukörper, hier aus Betonfertigteilen, planvoll zu einem Gebäudeganzen zusammengefügt werden. Außerdem liegt sie auch darin, dass die Funktionsbereiche, in der Hauptsache Klassenräume und umlaufender Flur, in der Tradition des Bauhauses als deutlich unterscheidbare Funktionseinheiten entwickelt wurden, die zu einem feingliedrigen und architektonisch hochwertigen modernen kleinen Schulkomplex zusammengefügt wurden (Abb. 3).

Dem eingeschossigen Gebäudekomplex liegt die schlichte geometrische Grundform eines Rechtecks zugrunde, das durch den als Umgang konzipierten Flur als zentralen Verbinder gebildet wird. Nach Norden und Süden sind eingeschossige Raumriegel bestehend aus Raumzellen in ursprünglich gleicher Größe und Ausrichtung an den Flur angefügt, die nur leicht über die Grundstruktur des Rechtecks hinausragen.

Nach Osten und Westen sind an den umlaufenden Flur je drei Klassenräume kammartig angesetzt, so dass der Gebäudekomplex sich in diese Richtungen mit dem Außenraum verzahnt. Zudem entstanden dreiseitig geschlossene Frei- bzw. Grünflächen, die für den Unterricht im Freien genutzt werden können (Abb. 4).

Der durch den Flurumgang umschlossene Außenbereich wird durch zwei Gebäuderiegel in drei Höfe gegliedert, wobei sich erfreulicherweise im nördlichen Hof die bauzeitliche landschaftsgärtnerische Gestaltung erhalten hat (Abb. 5).

Im Ergebnis entstand ein ausgewogener, klar strukturierter Schulkomplex mit streng symmetrischem Aufbau und bewusster Einbindung des Außenraums. Das sichtliche tektonische Fügen der eingeschossigen Bauteile führte außerdem zu einem ungewöhnlichen Erscheinungsbild, erst recht auf dem Land, was in der Summe die besondere architektonische Qualität dieses Schulbaus ausmacht.

Aufgrund der sich über die Jahrzehnte wandelnden, insbesondere pädagogischen Anforderungen änderten sich die Raumbedarfe und Ansprüche an Raumgrößen und -zuschnitten für die Schule spürbar. Um den Schulstandort in Steinhagen zu sichern, ist es deshalb unerlässlich, entsprechende Maßnahmen zu planen und umzusetzen.

Die oben beschriebenen Besonderheiten lassen eine Erweiterung der Schule ohne spürbare Beeinträchtigung ihrer architektonischen Qualität kaum zu. Demgegenüber stehen die berechtigten Belange des Eigentümers und Schulträgers, deren Berücksichtigung außerdem die langfristige Nutzung und folglich den langfristigen Erhalt des Denkmals sichert.

Es ist unbedingt hervorzuheben, dass sich die Gemeinde Steinhagen als Bauherr der Qualität des Schulbaus und der Schwierigkeit der Bauaufgabe ganz und gar bewusst war und ist und infolgedessen eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gab. Das beauftragte Büro erwies sich als ausgesprochen geeignet. Es erarbeitete eine sehr qualifizierte Studie, wo der Spagat zwischen Nutzerbelangen und Belangen des Denkmalschutzes mit der notwendigen Rücksicht auf die Besonderheiten des Denkmals weitgehend gelang.

In der gut ausgearbeiteten Machbarkeitsstudie werden drei Varianten aufgezeigt, von denen zwei wegen zu starker Eingriffe und Überformungen unter denkmalpflegerischem Aspekt nicht weiter verfolgt werden sollen. Die dritte Variante, die die dem Schulbau zugrundeliegenden Entwurfsparameter sowie die bauzeitliche Hofgestaltung am besten berücksichtigt und weiterführt, soll demgegenüber weiter ausgearbeitet werden (Abb. 6).

Hier ist vorgesehen, vier Gebäuderiegel in der vorgegebenen Kubatur und Achsstruktur um eine bzw. zwei Achsen zu erweitern. Dazu soll zwischen die Gebäudeteile im Bereich der nordwestlichsten dreiseitig geschlossenen Freifläche ein eingeschossiger Baukörper eingeschoben werden. Die kammartige Struktur an der Westseite würde so zwar verunklärt, jedoch könnte die für den Gebäudekomplex so wichtige Symmetrie und Feingliedrigkeit im Grundsatz nachvollziehbar bleiben. Durch Materialwechsel, bspw. vom bauzeitlichen Putz zu einer farblich angepassten Holzverkleidung für die Erweiterungen, kann diese dazu vom historischen Bauwerk zurückhaltend abgesetzt und gezeigt werden, so dass die ursprüngliche Struktur und Erscheinung für den Architekturinteressierten weiterhin gut ablesbar bliebe.

Im Inneren soll die klare architektonische Trennung zwischen Flur und Klassenräumen als eines der charakteristischen Merkmale des Gebäudekomplexes nicht allzu stark aufgeweicht werden. Hier sind zusätzliche Öffnungen oder vielmehr Aufweitungen zum Flur auf das notwendige Maß zu reduzieren, so dass die bauzeitliche Grundstruktur möglichst gut nachvollziehbar bleibt. Als wesentliches Ziel wurde außerdem einvernehmlich formuliert, dass die wärmeschutztechnischen Ertüchtigungen bzw. die Verbesserung der Energiebilanz nicht über ein äußeres Wärmedämmverbundsystem erfolgen kann. Bereits durchgeführte Außendämmmaßnahmen sollen stattdessen zurückgebaut werden. Über bspw. moderne Heiztechnik und ggf. weiterführende Ertüchtigungsmaßnahmen im Innenbereich soll dann die erforderliche wärmeschutztechnische Verbesserung erreicht werden.

Durch vorangegangene Baumaßnahmen ist leider nur ein relativ geringer Teil der bauzeitlichen baufesten Ausstattung erhalten. Hierzu zählen bspw. zwei zweiflügelige Türen aus dem Flurbereich, mehrere bauzeitliche Türrahmen, einige wenige bauzeitliche Fenster und innen liegende Sohlbänke, letztere aus roséfarbenem Kunststein, teilweise Parkettböden in den Klassenräumen und der Kunststeinplattenbelag im Flur (Abb. 7-9). Deren Reparatur und Erhalt, möglichst an Ort und Stelle, ist für den bestmöglichen Erhalt der Authentizität des Denkmals respektive des Denkmalwerts bei den weiterführenden Planungen von hoher Priorität.

Für die Herausarbeitung des historischen Erscheinungsbilds der Schule soll außerdem eine restauratorische Untersuchung der Gebäudehülle als fachgerechte Grundlage für ein befundbasiertes Gestaltungskonzept erarbeitet werden. In Anbetracht der Besonderheit des Schulbaus sind auch für die Innenräume eine entsprechende restauratorische Untersuchung und darauf basierend die Entwicklung eines dem Objekt angemessenen qualitätvollen Farbkonzepts sowie der Rückbau nachträglicher, nicht denkmalgerechter Elemente, wie die teilweise eingebauten Kunststofffenster und Fertigteilaußensohlbänke, und auch die Herausarbeitung der ursprünglichen Loggiastruktur des Flures zum südlichen Innenhof hin wünschenswert.

Bei allen Beteiligten besteht außerdem Konsens darüber, dass die bauzeitliche Hofgestaltung des nördlichen Innenhofes im Bestand erhalten und denkmalgerecht saniert werden soll. Wegen der hier befindlichen Wasserfläche gibt es aus Gründen der Verkehrssicherheit zwei Möglichkeiten der Problemlösung: Entweder bleibt der Hof wie bisher dem Lehrerpersonal vorbehalten oder es könnte zur Unfallvermeidung ein festes Gitter circa 10 mm unterhalb der Wasserfläche eingebracht werden und der Hof so auch für die Schüler geöffnet werden.

Mit der denkmalpflegerisch abgestimmten Machbarkeitsstudie ist ein erster und wesentlicher Schritt in Richtung einer denkmalgerechten Sanierung, Erweiterung und Anpassung des Schulbaus an aktuelle Erfordernisse getan. Es ist unbedingt zu hoffen, dass weiterführende Planungen in absehbarer Zeit angeknüpft werden können und perspektivisch die besonderen Qualitäten dieses ungewöhnlichen Schulbaus für die Lehrerschaft und Schüler wieder deutlich und auch für ein breiteres Publikum sichtbar werden.

Annette Krug

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