Das Rathaus der Stadt Marlow

Denkmal des Monats August 2023

Abb. 1. Marlow, Lkr. Vorpommern-Rügen, Rathaus, Am Markt 1, es sind Schäden am Putz erkennbar.Details anzeigen
Abb. 1. Marlow, Lkr. Vorpommern-Rügen, Rathaus, Am Markt 1, es sind Schäden am Putz erkennbar.

Abb. 1. Marlow, Lkr. Vorpommern-Rügen, Rathaus, Am Markt 1, es sind Schäden am Putz erkennbar.

Abb. 1. Marlow, Lkr. Vorpommern-Rügen, Rathaus, Am Markt 1, es sind Schäden am Putz erkennbar.

Das Rathaus der Stadt Marlow im Kreis Vorpommern-Rügen ist im Jahre 1862 errichtet worden, nachdem in einer Akte dem Vorgängerbau eine „unvergleichliche Schlechtigkeit“ 1 attestiert worden war. Es ist im Stil der Neugotik nach englischen Vorbildern wie der Tudorgotik errichtet worden. Heute zeigt es sich in einem freundlichen hellgelben Farbton mit weißen Fenstern, was seit einer Sanierung in den 1990er Jahren der gewohnte Anblick ist (Abb. 1). Vor der Wende bot sich ein anderer Anblick (Abb. 2). Die Fassade ist allerdings mittlerweile stark schadhaft, Farbanstrich und Putz lösen sich stellenweise ab. Bei früheren Instandsetzungen wurden Materialien verwendet, die die Diffusion der Feuchtigkeit im Mauerwerk beeinträchtigen und zu den Schäden geführt haben. Eine Sanierung ist erforderlich. Dabei wird der bestehende Putz entfernt werden müssen, um künftige Schäden zu vermeiden und bestehende Schäden zu reparieren. Eine erste restauratorische Untersuchung bestätigt die Einschätzungen der Schadensbilder.

Zum Rathaus war bisher außer dem Baujahr nicht viel bekannt, insbesondere war der Baumeister unbekannt. Daher waren Archivrecherchen erforderlich. Im Landesarchiv in Schwerin findet sich eine nicht sehr umfangreiche Akte zum Neubau des Rathauses.2 Darin ist ein Schriftwechsel zwischen dem Rat der Stadt Marlow und dem Innenministerium enthalten. Es ging natürlich ums Geld, die Stadt Marlow ersuchte das Innenministerium um finanzielle Förderung, musste aber auch einen Eigenanteil nachweisen. Diesen erlöste sie aus Verkäufen und aus einer Einsparung: die Topographie des Rathausstandortes ermöglichte es, den Platz für die Feuerspritze und für Baumaterial im Untergeschoß an der Südseite unterzubringen. Die entsprechenden Toröffnungen sind bis heute erhalten, die heutigen Tore sind jüngeren Datums. Damit konnte das schon angedachte separate Spritzenhaus entfallen und so Baukosten gespart werden. Auch mussten die Grundstücke erst angekauft, die dort bestehenden privaten Häuser abgebrochen und Ersatzneubauten erstellt werden. Die Themen für die Kommunalverwaltungen sind also seit mindestens 150 Jahren immer ähnlich, das Geld spielt eine zentrale Rolle.

Die Akte enthält aber noch mehr: so ist ein Hinweis auf den Baumeister Friedrich Saniter aus Rostock enthalten, der vermutlich die Pläne erstellt hat.3 Friedrich oder Fritz Saniter ist einer der wenigen „Privatbaumeister“ in dieser Zeit, also freischaffender Architekt. Bis weit ins 19. Jahrhundert wurden private Bauvorhaben, wie typische Ackerbürgerhäuser, in der Regel von Zimmermeistern oder Maurermeistern errichtet, die Trennung zwischen Handwerker und Architekt erfolgte erst allmählich mit der Verbreitung von entsprechenden Bauschulen oder Architekturfakultäten, die Übergänge sind fließend. Ein Aufsatz über die Baumeister Mecklenburgs in der Zeitschrift „Mecklenburg“ von 1924 bezeichnet ihn als befähigten Architekten der „Berliner hellenistischen Architekturschule“, was heute als später Klassizismus am Übergang zum Historismus gelten würde. (Als Beispiel für diese Stilrichtung benennt der Autor J. F. Pries das Gebäude der Kückenstiftung, Friedrichstraße 2, in Schwerin, ohne Angabe eines Architekten.) Die Architekturausbildung erhielt Friedrich Saniter jedoch in Hannover, an der Bauschule des bedeutenden Architekten Conrad Wilhelm Hase.4

Im Landesamt für Kultur und Denkmalpflege sind Planzeichnungen aus dem Jahre 1878 vorhanden, die eine Planung zum Anbau einer Pförtnerei des Amtsgerichts zeigen, die an der Rückseite des Rathauses errichtet werden sollte. Das Obergeschoß des Rathauses selber sollte als Amtsgericht dienen. Dieses Vorhaben wurde nicht realisiert. In der Ansichtszeichnung ist ein humorvolles Detail zu sehen: ein Wachtmeister führt einen offenbar widerstrebenden Delinquenten in Richtung Pförtnerei (Abb. 3).

Aus dem Jahr 1936 ist in den Akten des Landesamts für Kultur und Denkmalpflege der Entwurf eines Schreibens der damaligen Denkmalpflege an die Stadt Marlow erhalten. Ein wichtiger Punkt des Schreibens ist das Rathaus, das hier eine sehr negative Beurteilung erfährt. Die Denkmalpflege wollte damals offenbar das ländliche Erscheinungsbild der Stadt mit überwiegend kleinen Ackerbürgerhäusern erhalten und noch verstärken, was zweifellos auch einen ideologischen Hintergrund hatte. Das Rathaus wird als „störendes Moment“ bezeichnet, was an seiner „grauen Verputzung“, das „flache allzusehr geneigte Schieferdach“, den „mageren Spitzbogenfenstern“ und dem „sonstigen neugotischen Zierrate“ liegt. Die Empfehlungen für einen „besseren Eindruck“ umfassen den Abbruch des Balkons, der Türmchen und Zinnen, den Ersatz des Schieferdaches durch ein „Steindach“ mit einem „massig überstehenden Gesims mit vorgehängter Rinne“ und ein wärmerer Fassadenton „unter Weglassung aller überflüssigen scheingotischen Ornamente“ soll es beleben. In Summe soll aus dem neugotischen Bau ein schlichter, recht schmuckloser Baukörper werden, der sich nach der Auffassung der Denkmalpflege besser ins Ortsbild einfügt.5 Die negative Bewertung der Neugotik war in der Zeit seit etwa 1920 und bis in die 1980er Jahre weit verbreitet, was zum Abbruch zahlreicher Bauten aus dem 19. Jahrhundert führte. Zum Glück ist es nicht zu diesen umfassenden Eingriffen gekommen. Vermutlich hat man sich in dieser Zeit auf einige Reparaturen beschränkt, aus dieser Zeit könnte der weiße Fensteranstrich stammen.

Zwischen 1955 und 1989 sind mehrere kleinere Maßnahmen aktenkundig. Nach 1990 wurde das Gebäude grundlegend saniert, u.a. die Fassade und das Dach, auch die Fenster wurden überwiegend erneuert. 2010 wurden Bauschäden beseitigt.6 In der nahen Zukunft steht die notwendige Fassadensanierung an.

Stefan Beate


1 Landeshauptarchiv Schwerin 5.12-3/1 – 7092 Die Erbauung eines neuen Rathauses zu Marlow, 1862 / Ministerium des Innern

2 wie vor

3 Herzlichen Dank an Herrn A. Schacht, Rostock, für die Transkription der Akte und erste Hinweise zu Friedrich Saniter, und Herrn J. Schröder, Restaurator in Rostock, für weitere Hinweise zu F. Saniter, Archivrecherchen und eine restauratorische Ersteinschätzung.

5 LAKD M-V/LD, Objektakte, Marlow, Rathaus, Mappe 01

6 Aktennotiz Restaurator Jörg Schröder, 19.07.2023

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