Der wesentliche Grundstock der ehemaligen Landesbibliothek Neustrelitz: Urkunden zur Schulenburgschen Büchersammlung

Archivalie des Monats August 2022

Abb. 1: Auszug aus dem Kaufcontract von 18. Januar 1796 über die 6.399 Werke umfassende Bibliothek des Grafen Schulenburg mit Unterschriften und Siegeln (LHAS, 4.12-6/6, Nr. 80)Details anzeigen
Abb. 1: Auszug aus dem Kaufcontract von 18. Januar 1796 über die 6.399 Werke umfassende Bibliothek des Grafen Schulenburg mit Unterschriften und Siegeln (LHAS, 4.12-6/6, Nr. 80)

Abb. 1: Auszug aus dem Kaufcontract von 18. Januar 1796 über die 6.399 Werke umfassende Bibliothek des Grafen Schulenburg mit Unterschriften und Siegeln (LHAS, 4.12-6/6, Nr. 80)

Abb. 1: Auszug aus dem Kaufcontract von 18. Januar 1796 über die 6.399 Werke umfassende Bibliothek des Grafen Schulenburg mit Unterschriften und Siegeln (LHAS, 4.12-6/6, Nr. 80)

Schon kurz nach seiner Sukzession (1794) äußerte Herzog Carl von Mecklenburg-Strelitz (1741-1816) die Absicht, in Neustrelitz eine Bibliothek zu gründen, deren "Gebrauch […] jeder anständigen Person gestattet" werden sollte. Im Jahr 1796 wurde der Plan für diese "gemeinnützige Büchersammlung" umgesetzt, indem mehrere Bibliotheken und Büchersammlungen im vormaligen Präsidentenhaus Neustrelitz vereint wurden. Den Grundstock bildeten die Bibliotheken des verstorbenen Herzogs Adolf Friedrich IV. (1738-1794) und des Grafen August Christian Friedrich von Schulenburg (1754-1833). Durch eine Beschreibung von Friedrich Rühs (1781-1820) im "Neuen Teuschen Merkur" ist bekannt, dass die herzogliche Bibliothek Neustrelitz im Jahr 1805 bereits 18.000 Bände und "größtentheils neue, seltene und kostbare Werke, besonders […] an Französischen, Englischen und Dänischen Büchern" umfasste. Die in den 1930er Jahren als Landesbibliothek Neustrelitz firmierende, hochwertige universelle Büchersammlung enthielt letztlich weit über 100.000 Bände. Die Bibliothek wurde 1950 auf Beschluss der Landesregierung Mecklenburg aufgelöst und überwiegend an wissenschaftliche Bibliotheken in Schwerin, Rostock, Greifswald und Berlin sowie an die Städtische Volksbücherei Neustrelitz verteilt. Zu den Bänden, die dabei an die Schweriner Landesbibliothek überwiesen wurden, gehörte der Katalog der Bibliothek des Herzogs Adolf Friedrich IV. Der Katalog konnte 2019 identifiziert werden. In dem prächtigen, großformatigen Lederband sind insgesamt 1.228 Werke verzeichnet. Diese Bibliothek sowie die Neustrelitzer Theaterbibliothek konnten von Dritten genutzt werden, denn nach dem Tod des Herzogs im Jahr 1794 wurde in den "Strelitzischen Anzeigen" dazu aufgerufen, entliehene Bücher zurückzugeben.

Im Jahr 2021 war auch die Suche nach dem ebenfalls als verschollen geltenden Katalog der Bibliothek des Grafen von Schulenburg erfolgreich, diesmal im Schweriner Landeshauptarchiv. In den Akten über die Verwaltung der Strelitzer Landesschlösser fand sich ein Konvolut zur Schulenburgschen Bibliothek mit dem Original-Kaufvertrag vom 18. Januar 1796 zwischen Herzog Carl von Mecklenburg-Strelitz und August Graf von Schulenburg. Der Herzog erwarb die 6.399 Werke umfassende Büchersammlung des Grafen für 2.300 Reichstaler. Der vom Hofrat Adolf Albert August Horn (1759-1823) aufgesetzte "Contract" wurde vom Herzog und vom Grafen unterschrieben und gesiegelt. Bestandteil des Vertrages war das ebenfalls in dieser Akte überlieferte handschriftliche Bücherverzeichnis, das Graf von Schulenburg Ende Dezember 1793 begann und Anfang Januar 1796 fertig stellte.

Graf von Schulenburg wurde 1796 die Verwaltung und Aufsicht über die herzogliche Gesamtbibliothek Neustrelitz, das herzogliche Münzkabinett und die Sammlung der obotritisch-wendischen Altertümer inklusive der Prillwitzer Idole übertragen. Ab Februar 1800 wurde er mehrfach erinnert, baldigst den Katalog der Bibliothek zu vollenden. Der Graf entschuldigte sich mit seinen vielfältigen Dienstgeschäften, die ihm nicht erlaubten, "eine so starke Copierung ununterbrochen betreiben zu können". Beachtlich ist dabei, dass Graf Schulenburg ab 1800 auch Redakteur und Herausgeber des (seit 1792) erscheinenden Herzoglich-Mecklenburg-Strelitzischen Staats-Kalenders war.

Im ersten Quartal 1805 stellte er auftragsgemäß den alphabetischen Katalog der stark angewachsenen herzoglichen Bibliothek fertig. Dieses mit Sorgfalt, Akribie und gestochener Schulenburgscher Handschrift verfasste, über 16.000 Titel umfassende Verzeichnis befindet sich heute in der Schweriner Landesbibliothek. Aus weiteren, in der Landeshauptarchiv-Akte vorhandenen (Teil-)Katalogen von Hand des Grafen ergibt sich, dass er auch mit der systematischen Erfassung von besonderen Beständen, z. B. der Mecklenburgica, begonnen hatte. Dass diese Verzeichnisse nicht vollendet wurden, liegt auch an seiner Entlassung aus herzoglichen Diensten. Der hochverschuldete Graf von Schulenburg hatte den Inhalt des ihm anvertrauten herzoglichen Münzkabinetts in Berlin bei einem Pfandleiher gegen Bargeld versetzt. Es gelang im Mai 1805, insgesamt 24 goldene und 240 silberne Medaillen und Münzen, 333 kleine silberne Münzen sowie 17 Stück kupferne und messingne Piecen nach Neustrelitz zurückzuführen. Dem unter Protektion des Herzogs stehenden Grafen von Schulenburg wurde nahe gelegt, das Herzogtum zu verlassen. Er erhielt einen Reisepass nach Dänemark, 500 Reichstaler Reisegeld und die Zusicherung einer Pension von jährlich 400 Reichstalern. Bedrängt von seinen Gläubigern lebte der Graf anschließend in Itzehoe und Kopenhagen. Seit etwa 1828 wieder in Mecklenburg-Strelitz, stand der immer noch hochverschuldete Graf unter Kuratel. Er starb 1833 in Mirow in – gemessen an seinen Ansprüchen – ärmlichen Umständen.

Dr. Bernd Schattinger

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