2.000 Mark für einen Fürsten - Anastasia von Mecklenburg versucht 1287, ihren Gemahl aus mamlukischer Gefangenschaft freizukaufen

Archivalie des Monats September 2022

Abb. 1: Die Fürstin Anastasia von Mecklenburg und ihre beiden Söhne verpflichten sich mit dieser 1287 in Lübeck ausgestellten Urkunde, dem Deutschen Orden sofort nach der Befreiung Heinrichs I. 2.000 Mark in Silber auszuzahlen (Quelle: LHAS, 1.1-12/6, Nr. 0a)Details anzeigen
Abb. 1: Die Fürstin Anastasia von Mecklenburg und ihre beiden Söhne verpflichten sich mit dieser 1287 in Lübeck ausgestellten Urkunde, dem Deutschen Orden sofort nach der Befreiung Heinrichs I. 2.000 Mark in Silber auszuzahlen (Quelle: LHAS, 1.1-12/6, Nr. 0a)

Abb. 1: Die Fürstin Anastasia von Mecklenburg und ihre beiden Söhne verpflichten sich mit dieser 1287 in Lübeck ausgestellten Urkunde, dem Deutschen Orden sofort nach der Befreiung Heinrichs I. 2.000 Mark in Silber auszuzahlen (Quelle: LHAS, 1.1-12/6, Nr. 0a)

Abb. 1: Die Fürstin Anastasia von Mecklenburg und ihre beiden Söhne verpflichten sich mit dieser 1287 in Lübeck ausgestellten Urkunde, dem Deutschen Orden sofort nach der Befreiung Heinrichs I. 2.000 Mark in Silber auszuzahlen (Quelle: LHAS, 1.1-12/6, Nr. 0a)

Laut einer alten Inschrift, die bis ins 18. Jahrhundert hinein auf einer Gedenktafel in der Wismarer Franziskanerkirche zu lesen war, wurde Fürst Heinrich I. von Mecklenburg (1264-1302), der 1271 mit seinen Edelleuten ins Heilige Land gereist war, am 25. Januar (wahrscheinlich des Jahres 1273) in der Grabeskirche zu Jerusalem von den Sarazenen gefangen genommen. Während man Heinrich gemeinsam mit einem Knecht namens Martin Bleyer nach Kairo abführte, habe man seine adligen Begleiter in ihre Heimat zurückgeschickt, damit sie dort einen Schatz sammelten, um ihren Fürsten loszukaufen. 24 Jahre sei Heinrich jedoch in Gefangenschaft gehalten worden, bevor er freigekauft wurde, so dass er erst 1299 mit großen Ehren in sein Vaterland zurückkehren konnte. Ernst von Kirchberg berichtet in seiner Mecklenburgischen Reimchronik (1378/79) ähnliches.

Christliche Pilger und Kreuzfahrer als Geiseln zu nehmen, um Lösegeld oder die Freigabe von Gefangenen für sie zu erpressen, war in der Zeit der Kreuzzüge eine häufig geübte Praxis. Je höher der Rang einer Person, desto größer bemaß sich ihr Tauschwert. Für einen Fürsten wie Heinrich I. war demnach eine beträchtliche Summe zu zahlen. Gleichwohl wirft die lange Dauer seiner Gefangenschaft Fragen auf: Warum gelang es den mecklenburgischen Adeligen nicht früher, das Lösegeld aufzubringen? Waren sie nicht in der Lage dazu? Oder wollten sie das vielleicht gar nicht? War es ihnen am Ende ganz recht, durch die Abwesenheit des Fürsten nach Belieben im Lande schalten und walten zu können? Von synen mannen, wie der Chronist Kirchberg sie bezeichnet, seinen Rittern, die ihm den Lehnseid geleistet und damit Treue geschworen hatten, erhielt Heinrich der Überlieferung nach jedenfalls keine Unterstützung. Daher nahm seine Gemahlin, die pommersche Herzogstochter Anastasia (†1317), die während Heinrichs Abwesenheit die Regentschaft über Mecklenburg übernommen hatte, die Sache selbst in die Hand. Nachdem sie erfahren hatte, dass er sich in muslimischer Haft befand, übergab sie den Zisterzienserinnen des Klosters Sonnenkamp (Neukloster) am 20. Januar 1275 das Dorf Arendsee. Hierfür trug sie den Nonnen auf, dafür zu beten, dass ihr geliebter Herr und Gemahl aus den Fesseln der Heiden entrissen werde. Als sich aber nach mehreren Jahren zeigte, dass Gebete allein nicht wirkten, leitete Anastasia eine weitere Maßnahme in die Wege. Im Dezember 1287 begab sie sich mit ihren Söhnen Heinrich II. (†1329) und Johann (†1289) nach Lübeck und hinterlegte beim dortigen Rat 2.000 Mark reinen Silbers von Kölner Gewicht, um sie an den Deutschen Orden zu übertragen. Das war ein gewaltiger Betrag. Die um 1170 eingeführte „Kölner Mark“ wog etwa 234 Gramm Silber. 2.000 Mark entsprachen folglich 468 kg. Nach aktuellem Kurs wären das umgerechnet rund 300.100 Euro. Der im Heiligen Land gegründete und dort agierende Deutsche Orden sollte den Loskauf des Fürsten vermitteln. In der abgebildeten, von ihr und Heinrich II. besiegelten Urkunde verpflichteten sich Anastasia und ihre Söhne am 10. Dezember 1287, jeglichen Verlust, den der Deutsche Orden an der Summe der in Lübeck hinterlegten 2.000 Mark erleiden könnte, wieder zu ersetzen, und zwar ab sofort, bis die Ordensbrüder nach Heinrichs Befreiung den Betrag in Lübeck in Empfang nahmen. Auf Kosten und Gefahr von Anastasia sollten sie das Geld anschließend in die Stadt Mechelen (bei Antwerpen) überführen können, wo der Deutsche Orden eine Niederlassung besaß. Falls sie ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem die Forderung vom Orden erhoben wurde, nachkämen, mussten Anastasia und ihre Söhne zusammen mit zehn ihrer Ritter nach Lübeck kommen und in der Stadt bleiben, bis sie dem Orden den entstandenen Schaden vollständig ersetzt hätten. Zudem versprach Anastasia, ihren Verwandten, den Herren von Werle-Güstrow, Heinrich I., dazu zu bewegen, dass er sich gegenüber dem Orden in gleicher Weise verpflichtete, wie sie es gerade getan habe. Das anhängende Siegel der Fürstin zeigt die einzige zeitgenössische Darstellung Anastasias. In langem Gewand und mit Gebende, der Kopfbedeckung der verheirateten Frau, sitzt sie auf einem Thron, dessen Lehnen mit Tierköpfen verziert sind. In ihrer rechten Hand hält sie einen Wappenschild mit dem mecklenburgischen Stierkopf, in der linken einen mit dem steigenden pommerschen Greif. Die Wappentiere symbolisieren ihre derzeitige Familie und ihre Herkunftsfamilie. Auf dem daneben angehängten Siegel ihres Sohnes Heinrich II. ist daher ebenfalls der mecklenburgische Stierkopf zu sehen.

Anders als die Wismarer Inschrift suggeriert, gab es also schon vor 1299 einen Versuch, den gefangenen Fürsten Heinrich I. freizukaufen. Die Antwort auf die Frage, warum Anastasia ihn nicht früher, sondern erst nach über zehn Jahren unternahm, ist in den Fehden des Adels zu suchen, der mit ihr und untereinander um die Herrschaft in Mecklenburg konkurrierte. Doch blieb ihr Unterfangen ohne Erfolg, denn in der zweiten Hälfte des Jahres 1289 wiesen erst der Präzeptor des Marienhospitals des Deutschen Ordens in Jerusalem und dann der Hochmeister des Ordens den Lübecker Rat an, der Fürstin und ihren Söhnen die 2.000 Mark Silber zurückzuzahlen. Es bestehe keine Hoffnung mehr, den edlen Herrn Heinrich in diesen Zeiten aus den Ketten der Sarazenen loszukaufen, solange bis Gott durch seine Barmherzigkeit einen anderen Weg für den Freikauf eröffne. Interne Auseinandersetzungen hatten den Orden handlungsunfähig gemacht. Auch später wurde kein Lösegeld bezahlt, weil Heinrich II. seinen Vater für tot hielt. Erst Ende 1297 ließ der Mamluken-Sultan von Ägypten Lajin (1296-1299), mit vollem Namen al-Malik al-Mansour Hossam ad-Din Lachin al-Mansuri, Heinrich I. in einem Gnadenakt frei, so dass er nach Mecklenburg zurückkehren konnte.

Wolfgang Eric Wagner

Übersetzung der Urkunde MUB 3, 1934

(Übersetzung: Wolfgang Eric Wagner mit Unterstützung durch Bastian Turowski)

1287 Dez. 10. Lübeck
Anastasia, Fürstin von Mecklenburg, und ihre Söhne Heinrich und Johann verpflichten sich, dem Deutschen Orden sofort nach der Befreiung des Fürsten Heinrich die zu diesem Zwecke in Lübeck niedergelegten 2.000 Mark Silbers auszuzahlen.

Wir, Anastasia, durch Gottes Gnade Herrin von Mecklenburg verpflichten uns zusammen mit unseren Söhnen Heinrich und Johann durch die vorliegende Urkunde fest, jegliches an Verlust, Einbuße, Schaden, wieder zu ersetzen, zu ergänzen und aufzufüllen, das die Brüder des Deutschen Hauses an der Summe der in Lübeck hinterlegten 2.000 Mark erleiden könnten von jetzt an, bis sie nach der Befreiung unseres Herren und Vaters den genannten Betrag in der Stadt Lübeck empfangen und frei, auf unsere Kosten und Gefahren, in die Stadt Mechelen, entweder zum Teil, in welchem Fall es auch immer geschehen mag, oder in Gänze, überführt haben. Wenn wir es aber nach Ermahnung durch die genannten Brüder nicht innerhalb von zwei Monaten schaffen sollten, dann werden wir, die genannten Junker, mit zehn von unseren Rittern, die uns in der Aufforderung genannt worden sind, die Stadt Lübeck zum Verbleib darin aufsuchen und wollen sie nicht verlassen, bis wir den genannten Brüdern bezüglich der oben benannten Verluste und Schäden vollständig Genugtuung geleistet haben. Wir werden zudem dafür sorgen, dass Herr Heinrich von Werle sich mit uns und für uns den genannten Brüdern in ähnlicher Form verpflichtet. Zum Zeugnis dieser Sache sind unsere Siegel an das vorliegende Dokument gehängt. Gegeben zu Lübeck im Jahr des Herrn 1287 am 4. Tag vor den Iden des Dezembers.

Siegelumschriften:

1) + Siegel Anastasias, der Herrin von Mecklenburg

2) + Siegel Heinrichs, des Junkers von Mecklenburg

3) Das angekündigte Siegel Johanns fehlt.

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