Das letzte Lebensjahr des letzten regierenden Großherzogs von Mecklenburg
Archivalie des Monats November 2023
Abb.: Aufbahrung des Großherzogs Friedrich Franz IV. von Mecklenburg am 21. November 1945 in der Schlosskirche Glücksburg
(LHAS, 5.2-5/1, Nr. 1)
Abb.: Aufbahrung des Großherzogs Friedrich Franz IV. von Mecklenburg am 21. November 1945 in der Schlosskirche Glücksburg
(LHAS, 5.2-5/1, Nr. 1)
Am 17. November 1945 verstarb in Flensburg mit Friedrich Franz IV. von Mecklenburg der letzte Großherzog, der sein Vaterland noch selbst regiert hatte. „Verhungert“ war er, anders als von seiner Schwester Kronprinzessin Cecilie von Preußen und ihr folgend von seiner Schwägerin Viktoria Luise von Braunschweig-Lüneburg späterhin behauptet, allerdings nicht. Wie so viele seiner Landsleute hatte der 63-Jährige jedoch schwierige Wochen und Monate hinter sich, die letztlich nicht spurlos vorübergezogen waren.
Die Miseren im letzten Lebensjahr des im November 1918 zur Abdankung gezwungenen Großherzogs begannen bereits 1943, ihren Lauf zu nehmen. Schon im zeitigen Frühjahr galt er als austherapierter und todgeweihter Magenkrebspatient, und dann zeichnete Adolf Hitler am 19. Mai auch noch den „Erlass über die Fernhaltung international gebundener Männer von maßgebenden Stellen in Staat, Partei und Wehrmacht“. Dieser sogenannte Fernhalte-Erlass, aufgrund seiner Stoßrichtung auf die ehemals regierenden Fürstenhäuser auch als Fürsten- oder Prinzenerlass bekannt, führte u.a. zur Rückversetzung der beiden großherzoglichen Söhne aus ihren Dienststellungen. Der jüngere, Christian Ludwig, erhielt Anfang November 1944 in Westpreußen bei der 2. Armee seine Kommandierung zum Grenadier-Ersatzbataillon 89 in Schwerin. Dort wurde er aus dem aktiven Dienst entlassen, wobei sein Vater ihn aber wohl ganz gern in der Verwaltung der Familiengüter und damit fern der Front wusste.
Die Ruhestandsverfügung für den älteren, bis 1943 im diplomatischen Dienst stehenden Sohn Friedrich Franz unterzeichnete Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop am 28. September 1944. Da dem Auswärtigen Amt der Einsatzort des bei der Waffen-SS dienenden Sohnes offenbar unbekannt war, stellte es den Beschluss dem Vater per 22. Oktober 1944 zu. Dieser regte sich über dieses „unglaubliche“ Ereignis, diesen „unerhörten Vorgang“ fürchterlich auf, weil er die Versetzung als „schwerste Beleidigung“ verstand: Seinem Sohn würde wegen seiner ausländischen Verwandten wohl unterstellt, „nicht einwandfrei vaterländisch gesonnen“ zu sein. Vermutlich fürchtete der Ex-Monarch um die weitere Karriere seines Erstgeborenen, wobei sich diese Sorge letztlich als unbegründet erwies. Die Verfügung erreichte den Sohn wohl nicht, erst Anfang 1945 versetzte ihn der Reichsführer SS zurück in die Heimat. Und mit der diplomatischen Laufbahn war es ohnehin vorbei.
Die Nöte des ehemaligen Großherzogs wurden indes nicht kleiner. Rücksichtlich der „so ernsten Zeit“ stellte er sich im Oktober 1944 dem mecklenburgischen Reichsstatthalter zur Verfügung, „um unser geliebtes Vaterland vor dem Ansturm der Feinde zu schützen“. Dieser dankte dem mittlerweile 62-jährigen Friedrich Franz dafür, „im Volkssturm dienen zu wollen“. Den „ich ja gar nicht extra erwähnte,“ wie der ehemals kaiserliche Infanteriegeneral verstimmt feststellte – er musste sich eingestehen, für höhere Militäraufgaben nicht mehr gebraucht zu werden. Unterdessen wurde ab Januar 1945, angesichts der immer weiter in das Deutsche Reich vorstoßenden Roten Armee, seine Flucht immer dringlicher diskutiert. Darauf wollte er sich aber partout nicht einlassen, das Trauma seines zehnmonatigen Exils in Dänemark nach der Abdankung im November 1918 wirkte vermutlich immer noch nach. Ungeachtet dessen setzte sich Friedrich Franz mit seinem jüngeren Sohn Ende April 1945 doch noch nach Schleswig-Holstein ab, wo sich Ehefrau, Töchter und Schwiegertochter ebenso wie sein Onkel Adolf Friedrich mit Gattin bereits seit dem 22. befanden.
Die Umstände, d.h. die Besetzung seines Wohnsitzes Ludwigslust durch westalliierte Truppen brachten es mit sich, dass der ehemalige Großherzog Ende Mai 1945 noch einmal für ein paar Wochen in sein Stammland zurückkehren konnte. Dieses Glück blieb nur von kurzer Dauer, denn mit der Übergabe auch Westmecklenburgs an die sowjetischen Alliierten zum 1. Juli 1945 siedelte er erneut nach Schleswig-Holstein über. Für ihn war es ein endgültiger Abschied, während Christian Ludwig blieb und 14 Tage später ohne konkrete Vorwürfe verhaftet wurde. Ganz unabhängig davon zerrten Flucht und die daraus resultierenden „Drangsale“ ohne Zweifel an seinem Vater, einem erneut seiner Heimat entfremdeten kranken alten Mann. Anfang Oktober, genauer am 3., kam er nach Aussage seiner beiden Töchter unterernährt und geschwächt in das St. Franziskus-Krankenhaus in Flensburg.
Thyra zufolge war eine „geringfügige Blasensache“ ursächlich und eine „Darmsache“ kam hinzu, Anastasia zufolge brachten ein „böse[s]“ Blasen- und ein Darmleiden ihren Vater ins Krankenhaus. Jedenfalls unterzog er sich unmittelbar einer Darmoperation und etwa eine Woche später dem Eingriff an der Blase. Am 12. November stellte sich eine akute Lungenentzündung ein, an der Friedrich Franz am 17. um 22.50 Uhr verstarb. Parallel, so schrieb Thyra am 19. November 1945, wohne ihr älterer Bruder seit „acht Tagen leider nicht mehr bei uns,“ weil er „in einem Lager ist.“ Dennoch durfte er noch am 17. seinen sterbenskranken Vater besuchen und außerdem am 23. für die Beisetzung das Internierungslager Neumünster „unter Bewachung“ verlassen. Dergleichen blieb dem jüngeren, in der Sowjetischen Besatzungszone internierten Sohn verwehrt.
Dr. Matthias Manke
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- März: Die Schweriner Stadtsiegel
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