Zur Buße eheliche Enthaltsamkeit: Johann IV., Herzog von Mecklenburg (1384-1422), und Katharina von Sachsen-Lauenburg (†1450) hatten unerlaubt geheiratet
Archivalie des Monats Juli 2023
Abb.: Mit dieser Urkunde beauftragte Papst Martin V. den Bischof von Schwerin, Herzog Johann IV. von Mecklenburg und dessen Gemahlin Katharina von Sachsen von dem Bann zu lösen, in den sie durch ihre Verheiratung als im zweiten Grade Verwandte verfallen waren, und ermächtigte den Bischof, unter Erteilung des Dispenses die Ehe von Neuem vollziehen zu lassen
(LHAS, 1.1-15, Nr. 43)
Abb.: Mit dieser Urkunde beauftragte Papst Martin V. den Bischof von Schwerin, Herzog Johann IV. von Mecklenburg und dessen Gemahlin Katharina von Sachsen von dem Bann zu lösen, in den sie durch ihre Verheiratung als im zweiten Grade Verwandte verfallen waren, und ermächtigte den Bischof, unter Erteilung des Dispenses die Ehe von Neuem vollziehen zu lassen
(LHAS, 1.1-15, Nr. 43)
Als Johann IV. von Mecklenburg und Katharina von Sachsen-Lauenburg im Januar 1417 heirateten, wussten sie bereits, dass diese Verbindung ein gravierendes Problem in sich trug. Sie verstießen damit gegen eine Vorgabe des Kirchenrechts, und zwar gegen das Verbot der zu engen Verwandtschaft. Das Vierte Laterankonzil (1215) hatte Ehen zwischen Verwandten oder Verschwägerten bis zum vierten Grad untersagt. Dies galt als trennendes Ehehindernis. Ihre Ehe wurde dadurch ungültig. Doch Johann und Katharina heirateten trotzdem. Adlige Familienpolitik, dynastische Überlegungen und ein begrenztes Angebot an anderen geeigneten Heiratskandidaten ließen ihnen kaum eine andere Wahl. Denn Johann IV. war der einzige überlebende und erbberechtigte Sohn, der aus der Ehe zwischen Herzog Magnus I. von Mecklenburg (†1384) und Elisabeth von Pommern-Wolgast († ca. 1389) hervorgegangen war. Wollte er seinem Familienzweig den Fortbestand durch Nachkommen und diesen das Anrecht auf die Regierung des Herzogtums sichern, so musste er erneut heiraten. Zuvor war er mit Jutta von Hoya verheiratet gewesen, die aus der Ehe des Grafen Otto III. von Hoya (1383-1428) mit Mechthild von Braunschweig-Lüneburg (†1433) stammte. Jutta war jedoch 1415 verstorben, ohne dass das Paar den erhofften Nachwuchs empfangen hatte. Johanns zweite Gemahlin Katharina, die Tochter Herzog Erichs IV. von Sachsen-Lauenburg (1368-1411) und Sophies von Braunschweig Lüneburg (†1416), ging mit ihm ebenfalls ihre zweite Ehe ein. Die erste hatte sie mit dem Herrn von Werle, Johann VII., geführt, der allerdings 1414 verstorben war. Auch diese Verbindung war kinderlos geblieben. Für die verwitwete Katharina blieben folglich als Optionen nur der Rückzug auf ihr Leibgedinge, in ein Kloster zu gehen oder eben eine erneute Heirat.
Die zu enge Verwandtschaft zwischen Johann und Katharina ergab sich daraus, dass Jutta von Hoya und Katharina von Sachsen-Lauenburg Enkelinnen von Herzog Magnus II. von Braunschweig-Lüneburg (1369-1373) und über ihre Mütter zugleich Cousinen waren. Weil Johann in seiner ersten Ehe Jutta geheiratet hatte, zählte er von da an mit Katharina als im zweiten Grad verwandt. Die eheliche Verbindung zwischen den beiden hätte also laut Kirchenrecht nicht geschlossen werden dürfen. Sie wurde daher vom Bischof von Schwerin umgehend mit dem Kirchenbann belegt, so dass die beiden als exkommuniziert galten. Doch das Paar kannte den einzig möglichen Ausweg, sich vom Bann zu lösen: Sie mussten sich an den Papst wenden. Als Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, Nachfolger Petri und Hüter des Gnadenschatzes der Kirche verfügte er neben der Bindegewalt, dem Bannstrahl der Exkommunikation, auch über die Lösegewalt, die Sündenvergebung.
Zu Beginn des Jahres 1417 gab es allerdings drei Päpste, die um die alleinige Führung der Kirche konkurrierten. Seit 1414 rangen führende Geistliche auf dem Konzil von Konstanz darum, dieses Schisma zu beenden und die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Deshalb wandten sich Johann und Katharina an die in Konstanz tagende Kirchenversammlung und baten um Lösung von der Exkommunikation und eine Dispensation ihrer Ehe. Auf ihr Ersuchen hin sandte der Kardinalbischof von Albano, Giordano Orsini (†1438), am 19. März 1417 ein Schreiben an den Bischof von Schwerin. Er möge den Herzog Johann zu Mecklenburg und Katharina von Sachsen von dem Bann absolvieren, in den sie durch ihre Heirat verfallen waren, da Johanns erste Gattin Jutta mit der Katharina im zweiten Grad verwandt war. Bis zum endgültigen Urteilsspruch des Papstes sollten sich aber beide der ehelichen Beiwohnung enthalten, wenn sie nicht in die Exkommunikation zurückfallen wollten.
Die Zeit der Enthaltsamkeit hätte angesichts des seit 1378 andauernden Papstschismas durchaus lang werden können. Doch Johann und Katharina hatten Glück. Bereits am 11. November 1417 wählten die Delegierten der Konzilsnationen und die Kardinäle im Konklave den Kardinal Odo Colonna zum neuen Papst, der den Namen des Heiligen seines Wahltags, Martin, annahm. Nachdem Johann und Katharina auch an ihn ein entsprechendes Bittgesuch gesandt hatten, beauftragte Papst Martin V. (1417-1431) am 17. März 1418 den Bischof von Schwerin, das Paar vom Bann zu lösen und erteilte die gewünschte Ausnahmegenehmigung für ihre Ehe. Nach einer gewissen Zeit der ehelichen Enthaltsamkeit, über deren Dauer der Bischof selbst entscheiden dürfe, könne er die Ehe erneut vollziehen lassen. Die päpstliche Littera mit an einer Hanfschnur hängendem Bleisiegel befindet sich im Landeshauptarchiv in Schwerin. Nur ein gutes Jahr darauf, am 13. Februar 1419 stimmte Martin V. der Stiftung einer Universität in Rostock durch Johann IV., seinen Cousin Albrecht V. (†1423) und den Rat der Stadt Rostock zu. Einem Exkommunizierten hätte der Papst dieses Privileg gewiss nicht zugestanden.
Wolfgang Eric Wagner
Regest
17. März 1418
Papst Martin V. beauftragt den Bischof von Schwerin, den Herzog von Mecklenburg, Johannes, und dessen Gemahlin, Katharina von Sachsen, von dem Bann zu lösen, in den sie durch ihre Verheiratung als im zweiten Grade Verwandte verfallen waren, und ermächtigt den Bischof, unter Erteilung des Dispenses die Ehe von Neuem vollziehen zu lassen.
Transkription
Martinus episcopus servus servorum dei. Venerabili fratri episcopo Zwerinensis salutem et apostolicam benedictionem. Oblate nobis pro parte nobilis viri Johannis ducis Magnopolensis et nobilis mulieris Catherine dilecti filii nobilis viri ducis Saxonie nate tue diocesis peticionis series continebat, quod olim ipsi scientes se aliquo affinitatis gradu coniunctos, sed quoto coniuncti essent gradu penitus ignorantes matrimonium inter se contraxerunt per verba legitime de presenti illudque carnali copula consumarunt, quodque postmodum ad ipsorum devenit noticiam, quod secundo huiusmodi affinitatis gradu coniuncti forent et cum propterea in hiusmodi matrimonio licite remanere nequeunt dispensatione apostolica super hoc non obtenta et sicut accepimus, si ipsi Johannes et Catherina in ipso matrimonio remaneant, verisimiliter propter amborum attinentes et consanguineos posset esse illarum partium, que retroactis temporibus propter crebras turbationes atque guerras multipharie asserantur afflicte nonmodica pacis occasio et salutis et si divortium fieret inter eos plurima exinde scandala hominumque strages possent exoriri dictaque Catherina maneret nonmodica verecundie labe vituperata, pro parte ipsorum Johannis et Catherine fuit nobis humiliter supplicatum, ut eis super hoc de absolutionis beneficio ab excommunicationis sentencia, qua propter premissa incurrerunt, et oportune dispensationis gratia providere de benignitate apostolica dignaremur. Nos igitur, qui inter cunctos christifideles vigere pacem et concordiam intensis desideriis affectamus et salute querimus singulorum ipsorumque scandalis, quantum cum deo possumus obviare, ex premissis et aliis causis nobis expositis huiusmodi supplicationibus inclinati fraternitati tue, de qua in hiis et aliis specialem in domino fiduciam obtinemus per apostolica scripta committimus et mandamus, quatinus, si est ita, eosdem Johanne et Catherina, si hoc humiliter petierint, ab huiusmodi excommunicationis sententia, qua propter premissa incurrisse noscuntur, auctoritate nostra hac vice duntaxat absolvas in forma ecclesie consueta iniunctis eis inter alia sub virtute iuramenti per eos prestandi, quod de cetero similia non committant nec ea facientibus prebeant auxilium, consilium vel favorem ac pro modo culpe penitentia salutari et alia, que de iure fuerunt iniungenda et nichilominus, si tibi expediens videatur, quod dicta dispensatio concedatur ipsaque Catherina propter hoc rapta non fuerit cum eisdem Johanne et Catherina ipsis tamen prius ad tempus, de quo tibi videbitur abinvicem separatis, ut impedimento, quod ex hiusmodi affinitate provenit non obstante matrimonium inter se de novo contrahere ac in eo, postquam contractum fuerit, remanere libere et licite valeant eadem auctoritate dispenses prolem ex hiusmodi matrimonio forsan susceptam et suscipiendam legitimam decernendo. Datum Constancie sedecimo kalendis Aprilis, pontificatus nostri anno primo.
Übersetzung der Transkription
Martin, Bischof, Knecht der Knechte Gottes. Dem ehrwürdigen Bruder, dem Bischof von Schwerin, einen Gruß und apostolischen Segen. Der Wortlaut des aus Deiner Diözese stammenden Bittschreibens, das uns von Seiten des edlen Herrn Johannes, Herzog von Mecklenburg, und der edlen Frau Katharina, Tochter unseres geliebten Sohnes, des edlen Herrn und Herzogs von Sachsen dargeboten worden ist, enthält, dass selbige einst, wissend, dass sie in einem bestimmten Grad miteinander verwandt sind, aber völlig ignorierend, im wievielten Grad sie verwandt seien, die Ehe durch in Gegenwart gesprochene Worte rechtmäßig miteinander geschlossen und sie durch fleischliche Vereinigung vollzogen haben. Erst im Nachhinein ist ihnen zur Kenntnis gelangt, dass sie im zweiten Grad verwandt seien und deswegen nun einmal nicht erlaubterweise in dieser Ehe verbleiben können, ohne im Hinblick darauf um eine apostolische Dispensation nachzusuchen. Und so wie wir vernommen haben, könnte es, falls Johannes und Katherina in dieser Ehe verblieben, ebenso wegen der Angehörigen und Blutsverwandten von jenen beiden Teilen geschehen, dass, wie in vergangenen Zeiten neben häufigen Bedrängungen auch mancherlei Streitigkeiten zugefügt wurden, die Möglichkeit zum friedlichen Leben beeinträchtigt wird. Und falls es zu einer Scheidung käme, könnten daraus zwischen ihnen viele Auseinandersetzungen und Tötungen hervorgehen, und Katherina würde verachtenswert in ihrer sündhaften Schande weiterleben. So wurden wir von Seiten Johannes' und Katharinas demütig gebeten, dass wir für sie in diesem Sinne im Hinblick auf den Segen der Loslösung von dem Bann der Exkommunikation, in den sie wegen des zuvor gesagten verfallen sind, auch durch gefällige Weise mit der Gnade der Dispensation sorgen mögen, indem wir diese mit apostolischer Freundlichkeit erlauben. Also haben wir, die wir mit großem Verlangen erstreben, dass zwischen allen Christgläubigen Friede und Eintracht blühe, und Besserung für die Ärgernisse jedes Einzelnen von ihnen suchen, soviel wir mit Gott abzuhelfen vermögen, aus den vorgenannten und anderen Gründen, die uns auseinandergesetzt wurden, indem wir uns diesen Bitten geneigt zeigen, deiner Brüderlichkeit, in die wir hierbei und bei anderen Fällen ein besonderes Vertrauen im Herrn setzen, durch apostolisches Schreiben anvertraut und befehlen, dass du, falls alles sich so verhält, Johannes und Katharina, wenn sie dies demütig erbitten, von dem Urteil der Exkommunikation, in das sie deswegen, wie wir wissen, verfallen sind, mit und anstelle unserer Autorität in der üblichen kirchlichen Form löst. Dabei soll ihnen unter Anderem unter dem Nachdruck eines Eides, der durch sie zu leisten ist, auferlegt werden, dass sie künftig nicht auf ähnliche Weise sündigen, noch welchen, die solches tun, Hilfe, Rat oder Gunst gewähren, und die der Schuld entsprechende Strafe und andere die von Rechts wegen aufzuerlegen wären, erlassen werden. Nichtsdestoweniger soll, falls es dir ausführbar erscheint, die genannte Ausnahmeregelung zugestanden und Katharina deswegen nicht entführt werden. Johannes und Katharina sollst du jedoch zuvor auf Zeit, die Dir angemessen erscheint, voneinander trennen, damit sie ungeachtet dieses Hindernisses, das aus einer derartigen verwandtschaftlichen Nähe entsteht, miteinander erneut die Ehe schließen und in ihr, nachdem sie geschlossen ist, frei und mit Recht verbleiben können. Mit derselben Autorität sollst du die Nachkommenschaft dispensieren, die in einer derartigen Ehe etwa empfangen wurde und wird, indem du sie im Nachhinein als rechtmäßig erklärst. Gegeben zu Konstanz an den 16. Kalenden des April, im ersten Jahr unseres Pontifikats.
[Übersetzung: Wolfgang Eric Wagner mit Unterstützung durch Bastian Turowski]
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