Denkmal des Monats April 2025

Die Werke des Herrn H.

Dem Architekten Heinrich Handorf zum 100. Geburtstag

Abb. 3. Schwerin, Werner-Seelenbinder-Straße 4, Hochhaus am Lambrechtsgrund, 2025.Details anzeigen
Abb. 3. Schwerin, Werner-Seelenbinder-Straße 4, Hochhaus am Lambrechtsgrund, 2025.

Abb. 3. Schwerin, Werner-Seelenbinder-Straße 4, Hochhaus am Lambrechtsgrund, 2025.

Abb. 3. Schwerin, Werner-Seelenbinder-Straße 4, Hochhaus am Lambrechtsgrund, 2025.

Der Architekt ist hochverehrlich,
(Obschon die Kosten oft beschwerlich)
Weil er uns unsre Erdenkruste,
Die alte, rauhe und berußte,
Mit saubern Baulichkeiten schmückt,
Mit Türmen und Kasernen spickt.

(Wilhelm Busch, Maler Klecksel, Erstes Kapitel)

Nein, Türme und Kasernen hat Heinrich Handorf (Abb. 1) nicht gebaut. Sein Fokus lag eher auf dem Gesellschaftsbau und einige seiner von ihm projektierten Gebäude genießen heute den Status eines Denkmals. Sein Tätigkeitsfeld lag in Schwerin, aber auch in anderen Städten Mecklenburg-Vorpommerns hat er architektonische Spuren hinterlassen.

Geboren wurde Heinrich Handorf am 18. April 1925 in Warin. Nach dem Abitur 1943 zog man ihn sowohl zum Reichsarbeitsdienst und alsdann auch zum Militärdienst ein, den eine erlittene Kriegsverletzung beendete. 1949 konnte er sein dreijähriges Studium an der Bau- und Ingenieurschule Wismar erfolgreich als Hochbauingenieur abschließen. Eine kurze Zeit war er in der Außenstelle Stralsund der Landesbauverwaltung Mecklenburg tätig, wechselte aber bald nach Schwerin. Seit 1951 arbeitete er im Entwurfs- und Bauleitungsbüro Mecklenburg, ab 1960 dann als Leitarchitekt im VEB Hochbauprojektierung Schwerin und von 1968 bis 1974 im VEB Wohnungsbaukombinat Schwerin. In diese Zeit, die zweite Hälfte der 1960er Jahre, fällt die Einführung des Wohnungsbaus mit Gassilikatbetonelementen, wofür die neue Typenserie IW 67 P – Gasbeton 5 Mp entwickelt wurde, an deren Entstehung und Gestaltung er beteiligt war. Ein Experimentalbau entstand 1967 in Schwerin-Lankow. Danach wurde diese Bauweise ab 1968 fortwährend in Schwerin und Parchim eingesetzt. 1971 erhielt das Kollektiv Lösler, Ullrich, Handorf und Bialas dafür den Fritz-Reuter-Kunstpreis des Rates des Bezirkes Schwerin, II. Klasse. Ein Jahr später verlieh ihm der Bund der Architekten der DDR die Schinkelmedaille in Bronze.
1974 berief man Heinrich Handorf in die Staatliche Bauaufsicht, wo er bis zum Ruhestand 1990 als Prüfingenieur/Hochbau tätig war.

Von seinen heute unter Denkmalschutz stehenden Bauwerken ist sicher das Hochaus am Lambrechtsgrund in der Schweriner Werner-Seelenbinder-Straße das spektakulärste (Abb. 2-3). Auslöser für das Gebäude war gewissermaßen die unmittelbar benachbarte Sport- und Kongresshalle. Deren Heizhaus benötigte einen gut 30 Meter hohen Schornstein, der die städtebauliche Qualität des neuen Sportforums massiv beeinträchtigt hätte. Ein Hochhaus, in welches dieser Schornstein einbezogen werden könnte, war die Lösung, doch von Seiten der Hygiene-Inspektion wurde die Forderung erhoben, den Schornstein mindestens zehn Meter über das Dach zu führen, um eine Verwirbelung der schädlichen Rauchgase auszuschließen. Damit konnte man gestalterisch nichts gewinnen. In München war zu der Zeit ein Heizkraftwerk entstanden, bei dem die Rauchgase mittels einer Strömungsplatte, einer zweiten Dachebene, abgeführt wurden. Darüber berichtete die Fachliteratur. Dieses System wurde nun auch für das Hochhaus am Lambrechtsgrund favorisiert, allerdings war ein Funktionsnachweis erforderlich. Jener wurde im Modellversuch nach recht aufwendiger Vorbereitung im Wasserkanal der Technischen Universität Dresden erbracht. Das von Heinrich Handorf entworfene zehngeschossige Wohnhaus wurde in den Jahren 1961 bis 1963 gebaut. Seit dem Beginn der 1990er Jahre ist es ein Baudenkmal.

Bereits zehn Jahre zuvor war die Landesparteischule der SED, Johannes-Stelling-Straße 14 in Schwerin entstanden, die heute das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommerns aufnimmt (Abb. 4). Heinrich Handorf gehörte damals zum Kollektiv, das der Architekt Franz Schiemer leitete und war an den Entwurfsarbeiten beteiligt. Der Gebäudekomplex besteht aus einem sechsgeschossigen Schultrakt, einem eingeschossigen Saalbau, einem fünfgeschossigen Internatsteil und dem eingeschossigen Wirtschaftsteil. Entsprechend seiner Funktion als staatliche Kaderbildungsstätte wurde der Bau repräsentativ gestaltet. Getreu nach den Vorgaben der Bauakademie der DDR, die Formensprache nationaler Tradition zu verwenden, um so das von der Partei- und Staatsführung der DDR als progressives Erbe des Volkes verstandene Bauen fortzuführen, entstand ein Bauwerk mit neoklassizistischer Anmutung. Es ist Zeugnis für das Baugeschehen in der Frühzeit der DDR und die Baugeschichte Schwerins.

In den 1950er Jahren beschäftigte sich Heinrich Handorf mit weiteren Schulbauten, so mit dem Bau einer sechzehnklassigen Grundschule in Neubrandenburg (Abb. 5). Das 1955 in Nutzung genommene Schulgebäude, das erste, welches nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Neubrandenburg entstanden ist, ist den Neubrandenburgerinnen und Neubrandenburgern heute als Albert-Einstein-Gymnasium bekannt. Es handelt sich um einen Typenbau, dessen Bauschema den von der Deutschen Bauakademie im März 1951 herausgegebenen „Richtlinien für die Projektierung und den Bau von Grund- und Zehnklassenschulen in der Deutschen Demokratischen Republik“ entsprach. Die Abteilung Bauten für Lehre und Erziehung der Deutschen Bauakademie hatte Typenvorschläge und Grundrissvarianten für verschiedene Schultypen entwickelt. In Neubrandenburg trifft man jedoch auf einige Modifikationen. Verwendet wurde nicht der Typenvorentwurf für die sechzehnklassige Grundschule, sondern jener für die vierundzwanzigklassige Grundschule, der sich durch ein größeres Raumangebot und die Grundrissaufteilung sowie auch durch die äußere Gestaltung unterschied. Der Bautyp ist ein dreigeschossiger Dreiflügelbau mit zur Mitte versetzten Seitenrisaliten, die die Treppenhäuser aufnehmen. Er verfügt über einen Festsaal mit Bühne und Umkleideräumen und eine Turnhalle mit abgetrenntem Geräteraum in den Seitenflügeln. Anders als im Typenvorentwurf liegen die Klassenräume im Hauptbau auf der Straßenseite, um eine optimale Belichtung der Räume zu erreichen. Die Turnhalle am Seitenflügel ist quer zu diesem errichtet worden, was dem Grundriss zusätzliche Spannung verleiht und so auch nicht im Typenvorentwurf vorgesehen war. Außer seiner Bedeutung für die Geschichte Neubrandenburgs und die des Schulbaus in der DDR hat die Schule auch eine gestalterische Qualität aufzuweisen. Sie wird bestimmt von einer traditionalistischen Formensprache, wie sie für die öffentlichen Bauten der Zeit gefordert wurde.

Nach zweijähriger Bauzeit eröffnete 1957 in Malchow ein Kino, der „Film-Palast“ (Abb. 6). Dem nicht nur für Filmaufführungen genutzten Gebäude, welches ebenfalls anderen kulturellen Zwecken diente, liegen Entwürfe von Heinrich Handorf zugrunde. Auch hier trifft man auf klassisch-traditionelle Formen und Dekorationen. Insbesondere der Saalbau zeigt eine reiche äußere Dekoration, bestehend aus einer Lisenengliederung der Fassade, Putzrahmungen und einem unter der Traufe verlaufenden Mäanderband (Abb. 7). In der Mitte der 1990er Jahre wurde es in die Denkmalliste eingetragen. Heute ist in ihm das DDR-Alltagsmuseum zu finden.

Ganz anders kommt das zehn Jahre später fertiggestellte Werkstatt- und Sozialgebäude für den Betrieb des Getreideumschlags im Wismarer Hafen daher (Abb. 8). Der viergeschossige backsteinsichtige Bau ist durch seine klare und funktionale Architekturgestalt der Moderne verpflichtet. Markant sind die beiden vertikalen Fensterbänder auf den Giebelseiten, die die Lage der Treppenhäuser bezeichnen. Im Erdgeschoss befand sich eine Werkhalle, in der alle Reparatur- und Wartungsarbeiten an der für den Getreideumschlag erforderlichen Technik durchgeführt werden konnten. Darüber war ein Lagergeschoss für Ersatzteile, die mittels einer Seilwinde in das Geschoss gebracht werden konnten, angeordnet. Hier und im dritten Geschoss befanden sich außerdem Sanitär- und Umkleideräume und einige Büros. Das vierte Geschoss diente der Versorgung der Beschäftigten und nahm Küche, Speisesaal und einen Kulturraum auf. Heute befindet sich der „Innovation Port“, eine Anlaufstelle zur Beratung und Betreuung von digitalen Existenzgründern im Gebäude, die Obergeschosse wurden in Ferienwohnungen umgewandelt.

Ein freundschaftliches Verhältnis pflegte Heinrich Handorf zu Serafim Polenz, seit 1971 Chefkonservator in der Arbeitsstelle Schwerin des Instituts für Denkmalpflege. Aus dieser Verbindung resultiert wohl auch der Versuch der Rekonstruktion einer Ofenkachel aus dem Schloss Güstrow, deren Bruchstück während der Sanierung des Schlosses auftauchte (Abb. 9). Das locker aquarellierte Blatt lässt bereits eine Vorahnung zu, dass Heinrich Handorf auch ein Gespür für den Umgang mit Pinsel und Farbe besaß. In seiner Freizeit pflegte er dieses Hobby, das nach seinem Eintritt in den Ruhestand eine seiner hauptsächlichen Betätigungen werden sollte.

Bereits an der Bezirkskulturakademie und später an der Volkshochschule belegte er Kurse, die sein Talent weiterentwickelten. Vorrangig arbeitete er in Aquarelltechnik, schuf aber auch Radierungen und Ölgemälde. Die Themen fand er in seiner Umgebung. Seine Blätter, die auch in mehreren lokalen Ausstellungen zu sehen waren, zeigen meist Landschaften, historische Gebäude und Stadtansichten (Abb. 10-12). Darüber hinaus war er ein Freund der Verse Wilhelm Buschs, die er oft rezitierte, und Autor plattdeutscher Gedichte und Kurzgeschichten.

Heinrich Handorf verstarb am 27. April 2022 im Alter von 97 Jahren. 2024 wurde sein Name in die Liste der Kulturschaffenden in der DDR aufgenommen. Ebenfalls ist er in der Vorschlagsliste zu Straßenbenennungen in der Landeshauptstadt Schwerin zu finden.

Dirk Handorf

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